Meere - Tierparadiese unserer Erde
profitieren sie gerade vom periodischenTrockenfallen, das Feinde wie Wellhornschnecken und Seesterne zum Rückzug zwingt. Untersuchungen an neuen Spundwänden haben außerdem gezeigt, dass die zunächst planktischen Muschellarven sich bevorzugt im oberen Bereich festsetzen, in dem die Wasserbewegung am stärksten ist und die Filtrierer am meisten Nahrung finden. Allerdings ist auch die Sterblichkeit dort oben am größten, und es herrscht eine stärkere Nahrungskonkurrenz als in den tiefen Etagen, in denen die Besiedlungsdichte geringer ist.
Miesmuschel
Mytilus edulis
Klasse Muscheln
Ordnung Miesmuscheln
Familie Miesmuscheln
Verbreitung Atlantik, Nord- und Ostsee
Maße Länge: bis 11 cm
Nahrung Mikroorganismen, Detritus
Höchstalter 10 Jahre
Gleich und gleich gesellt sich gern
Ähnlich wie Austern schließen sich Miesmuscheln nach Möglichkeit zu riesigen Ansammlungen zusammen und bilden Muschelbänke. Bis zu 30 cm hoch stapeln sich die Organismen übereinander, wobei die unteren wegen der geringeren Frischwasserzufuhr und der Anhäufung von Schwefelwasserstoff und Schlick kleiner bleiben und irgendwann absterben. Dass sie trotz dieses Risikos die Nähe suchen, dürfte an ihrer Fortpflanzungsart liegen: Da die Männchen ihre Samenzellen und die Weibchen ihre jeweils 5–12 Mio. Eizellen zu bestimmten Zeiten einfach ins Wasser entlassen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung am größten, wenn die Tiere in großen Ansammlungen leben.
Eine befruchtete Eizelle entwickelt sich zunächst zu einer frei schwimmenden Trochophora-Larve, die sich bald in eine ebenfalls planktische Veliger-Larve und anschließend in eine Jungmuschel verwandelt. Mit ca. 3 mm Länge setzt sich diese an einer Alge oder einem Nesseltier fest – unter Umständen hunderte von Kilometern von den Eltern entfernt. Bis sie etwa 5 cm lang ist, zieht sie noch mehrmals um. Mithilfe eines chemischen Sinnes sucht sie die Nähe anderer Miesmuscheln, und der Kreislauf beginnt von vorn.
Fleißige Filtrierer
Die Energie für diese Aktivitäten zieht die Miesmuschel aus den Schwebteilchen und Algen, die sie mithilfe ihrer beiden Siphonen – einem Frischwasser- und einem Abwasserrohr – aus dem Meerwasser filtert. Sie kann zwei bis drei Liter pro Stunde filtern und kommt so, selbst wenn sie ihre Schalen bei Ebbe einige Stunden schließen muss, auf bis zu 20 Liter am Tag. Das gesamte Volumen des Wattenmeeres läuft innerhalb weniger Tage einmal durch die natürlichen Kläranlagen der Muschelbänke. Allerdings sammeln die Muscheln dabei auch Schadstoffe an: In der Elbmündung enthalten Miesmuscheln zehnmal so viel Schwermetall wie normalerweise. Nicht nur als Wasserfilter, sondern auch als Lebensraum für über 100 Tier- und Pflanzenarten und als Nahrungsquelle, z. B. für Seevögel und Krebse, sind Miesmuschelbänke unentbehrlich. Heute wird der Bedarf an Miesmuscheln für die menschliche Ernährung durch künstliche Muschelbänke befriedigt. Wie bei den Austern handelt es sich nicht um eine Zucht im engeren Sinne: Denn die Jungtiere werden gewonnen, indem man Zäune, Seile oder Sträucher im Meer deponiert, auf denen sich die Larven festsetzen. Die Erhöhung der Wassertemperatur durch den Klimawandel fördert die Ausbreitung eines Nahrungs- und Lebensraumkonkurrenten: Die Pazifische Auster (
Crassostrea giges
) macht sich auf den Miesmuschelbänken breit.
Scheidenmuscheln: Messer im Sand
Wer bei Ebbe barfuß durchs Watt spaziert, macht unter Umständen schmerzhaft Bekanntschaft mit den Muscheln der Familie Solenidae, die aufgrund ihrer langen, an Schwert- oder Messerscheiden erinnernden, scharfkantigen Schalen Scheidenmuscheln genannt werden. Sie leben in den Weich- und Sandböden aller Meere außerhalb der kalten Klimazonen.
© shutterstock.com/Armin Rose
Schalen von Scheidenmuscheln
Muschel-Delikatessen
In einigen Ländern gelten Scheidenmuscheln wie die Gebogene Schwertmuschel als Delikatessen. Sie aus dem Meeresboden zu holen, ist mühsam und nicht ungefährlich. So tauchen die Navalleiros, die Messermuschelsammler Nordwestspaniens, ohne Sauerstoff bis zu 10 m tief, um die Navajas genannten Muscheln mit den bloßen Händen aus dem Schlick zu graben. Bis zu vier Stunden dauert es, bis ein Mann die typische Tagesausbeute von 15 kg gesammelt hat.
Anderenorts sucht man die Muscheln bei Ebbe – auch das ist ein mühsames Geschäft, da sie sich bei der leisesten Erschütterung tief in den Schlick zurückziehen. Sie werden bündelweise
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