Meere - Tierparadiese unserer Erde
Larvenstadien.
Austernfischer: Muschelknacker mit langer Lehrzeit
Die Bezeichnung Austernfischer für die eng verwandten Arten der Familie Haematopodidae führt in die Irre: Die dickschaligen Delikatessen frisst fast nur der amerikanische Braunmantelausternfischer. Die anderen Arten, die über die tropischen und gemäßigten Küsten der Welt verteilt sind, geben sich mit Mies- und Plattmuscheln, Seepocken, Entenmuscheln, Napfschnecken, Pierwürmern, Strandkrabben und Seesternen zufrieden. An unseren Küsten lebt der Austernfischer
Haematopus ostralegus
, dessen markantes Aussehen ihm die Spitznamen Strandkiebitz, Halligstorch und Strandelster eingetragen hat.
© shutterstock.com/Stephen Aaron Rees
Der Austernfischer - der Charaktervogel der Nordseeküste
Fels- und Sandspezialisten
Zwar sehen sich die verschiedenen Arten des Austernfischers auf den ersten Blick ähnlich, aber die Gefiederfärbung, Schnabelform und die Größe des Körpers und der Füße verraten doch einiges über ihren genauen Lebensraum. So sind die vier ganz schwarz gefiederten Arten in Südamerika, Australien und Neuseeland vor allem an dunklen Felsküsten zu Hause. Da sie dort viele Napfschnecken, Seepocken und Entenmuscheln vom Gestein abmeißeln müssen, haben sie stumpfe, kräftige Schnäbel. Die schwarzweiß gefiederten Arten sind eher auf Sand- und Schlammböden unterwegs, wo sie mit ihren schlankeren, spitzer geformten Schnäbeln Würmer aus dem Schlick ziehen und Muscheln durch ihren schmalen Schalenspalt »erdolchen«. Da ihre Beute meist kleiner ist als die der Felsküstenspezialisten, sind sie zierlicher und haben kleinere Füße.
So gehört der hier lebende Austernfischer mit etwa 500 g zu den leichten Vertretern der Gattung, die rd. 400–900 g wiegt. Seine Nahrung sucht er vor allem im Wattenmeer, wo er seinen 7–8 cm langen, seitlich abgeflachten, roten Schnabel zwischen die leicht geöffneten Schalen von Muscheln steckt und ihren kräftigen Schließmuskel durchtrennt. Da sich seine Schnabelspitze beim Aufhämmern von Muscheln abnutzt, wächst der Schnabel täglich 0,5 mm nach.
Anpassungsfähiger Charaktervogel
Wie die Silbermöwe und der Rotschenkel ist
Haematopus ostralegus
ein Charaktervogel der Deutschen Bucht; auf allen Friesischen Inseln ist der Teilzieher zu finden. Im Herbst ziehen riesige Schwärme auf dem Weg an die westeuropäische oder afrikanische Atlantikküste durch, und etwa 500 000 Tiere überwintern im Wattenmeer. Ca. 40 000 Paare brüten auch hier; die anderen ziehen dazu vom März an weiter nach Norden.
Der an sich typische Küstenvogel dringt in den letzten Jahrzehnten immer weiter ins Inland vor, wo ihm geschotterte Flachdächer ebenso behagen. Er hat gelernt, sich hier von Regenwürmern und Insekten zu ernähren. Im Watt zieht er den Gezeiten hinterher. Bei Ebbe geht es hinaus auf die Schlickflächen, wo er mit einem Tastorgan an der Schnabelspitze, dem Herbst’schen Körperchen, Pierwürmer in ihren u-förmigen Röhren aufspürt – seine hiesige Hauptnahrung. Bei aufkommendem Wasser kehren die Vögel an ihre Stammplätze an der Wattkante und am grasbewachsenen Deichvorland zurück. Außer den Brutpaaren, die sich absondern, leben alle Austernfischer gesellig in Schwärmen, die ihnen Schutz vor Fressfeinden bieten.
Austernfischer
Haematopus ostralegus
Klasse Vögel
Ordnung Wat- und Möwenvögel
Familie Austernfischer
Verbreitung europäische Meeresküsten bis zum nördlichen Polarkreis, Atlantikküste, Mittelmeerraum, Türkei bis Nordkorea, auch im küstennahen Binnenland
Maße Länge: 40–45 cm
Gewicht etwa 500 g
Nahrung Muscheln, Schnecken, Krebse, Würmer, Seesterne
Geschlechtsreife mit 3–5 Jahren
Zahl der Eier 2–4
Höchstalter 36 Jahre
Einfache Nistmulden
Im April und Mai nehmen die Paare, die oft in Dauerehe leben und auch ihrer Brutstätte meist treu bleiben, ihre Reviere in Besitz. In Dünen, auf Äckern oder Wiesen bauen sie schlichte, gelegentlich mit Muschelstücken ausgekleidete Mulden oder aber Halmnester, in die das Weibchen im Abstand von je einem Tag zwei bis vier Eier legt. Die Partner wechseln sich beim Brüten ab; Angreifer wie Krähen und Möwen verscheuchen sie mit lautstarken Attacken oder locken sie durch vorgetäuschte Verletzungen vom Nest fort. Dennoch sind die Verluste hoch und oft hat ein Paar mehrere Gelege nacheinander. Nach etwa vier Wochen schlüpfen die Nestflüchter, die zwar bald zum Watt geführt werden, aber noch fast zwei Monate von
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