Meere - Tierparadiese unserer Erde
Austausch von Wassermassen ist nur im Europäischen Nordmeer möglich.
© Imago/blickwinkel
Kalbender Eisberg im Kangia-Eisfjord in Grönland
Zwischen Mitternachtssonne und Polarnacht
Die geografische Lage bestimmt das extreme Klima des Arktischen Ozeans. Er liegt fast vollständig innerhalb des Polarkreises und erhält im Jahresdurchschnitt nicht einmal halb so viel Sonnenenergie wie der Äquator. Noch dazu ist die Energie sehr ungleich über das Jahr verteilt. Am Polarkreis geht die Sonne zu Mittwinter einen Tag gar nicht auf, und weiter nach Norden nimmt die Dauer dieser Polarnacht auf Wochen oder sogar Monate zu. Es wird bitterkalt: Lufttemperaturen unter –50 °C sind nicht ungewöhnlich.
Im Sommer aber geht die Sonne wochen- oder monatelang nicht unter – die Zeit der Mitternachtssonne ist ebenso lang wie die winterliche Polarnacht. Zwar fallen die Sonnenstrahlen nur in einem flachen Winkel ein, doch wegen der längeren Tage erhält die Polarregion im Sommer sogar mehr Sonnenenergie als der Äquator. Auf dem Land, etwa in Sibirien oder Kanada, wird es daher durchaus 30 °C warm. Doch über dem Ozean bleibt die Temperatur auch im Sommer um den Gefrierpunkt. Denn die weiße Fläche des Meereises wirft 60–95 % der Sonnenstrahlen zurück. Zudem erwärmt sich Wasser nur langsam.
Meereis
Das polare Meerwasser gefriert – je nach Salzgehalt – bei Temperaturen zwischen etwa –1,9 °C und –1,7 °C. Wenn die Wassertemperatur diesen Wert erreicht, bildet sich eine Eishaut auf der Oberfläche, in unruhigen Bedingungen auch Eisschlamm oder Eisbrei, eine schwammartige Masse von Eisklumpen. Das Eis verfestigt sich zunehmend und bildet schließlich eine geschlossene Decke, die innerhalb eines Winters bis zu 2 m dick wird. Wenn Salzwasser gefriert, wird der größte Teil des Salzes ausgeschieden. Auch das im Eis eingeschlossene Salz sammelt sich nach einer Weile zu kleinen Tröpfchen, die durch Risse abfließen. Deshalb besteht älteres Meereis aus Süßwasser. Die großen Eisberge hingegen entstehen durch das »Kalben« von Gletschern: Vor allem an der Küste Grönlands brechen Blöcke von den Zungen des mächtigen Inlandeisschildes ab.
Wechselnde Eisausdehnung
Im Winter breitet sich das Eis über den gesamten Arktischen Ozean aus und erreicht die Küsten Kanadas und Sibiriens. In der Beringsee, der Labradorsee und vor der Ostküste Grönlands reicht die geschlossene Eisdecke bis zum 60. Breitengrad, zieht sich durch die Erderwärmung jedoch immer dramatischer nach Norden zurück. Das Europäische Nordmeer hingegen ist dank der warmen Golfstromausläufer oft bis in hohe Breiten eisfrei. Im Sommer zieht sich die geschlossene Eisdecke weiter nach Norden zurück. Während die grönländische Nordküste und Teile des Kanadischen Archipels noch ganzjährig eisbedeckt sind, ist der sibirische Kontinentalschelf im Sommer überwiegend eisfrei.
Nahrungsreichtum
Die Polarmeere sind sehr produktiv. Das Phytoplankton, also die Gemeinschaft der frei im Wasser treibenden pflanzlichen Organismen, braucht einerseits genügend Licht, andererseits anorganische Nährstoffe wie Phosphate, Nitrate oder Eisen. In den meisten Meeren begrenzt der Nährstoffmangel sein Wachstum: Im lichtreichen Oberflächenwasser sind die Nährstoffe bald aufgebraucht, und eine stabile Temperaturschichtung – warmes Oberflächenwasser über kühlem Tiefenwasser – verhindert das Aufsteigen von Nährstoffen aus der Tiefe. Ganz anders in den Polarmeeren: Hier ist das Oberflächenwasser so kalt wie das Tiefenwasser. Eine stabile Temperaturschichtung bildet sich also nicht, Nährstoffe steigen leicht auf und sind meist reichlich vorhanden. Auch an Licht herrscht an den langen Sommertagen kein Mangel. So findet das Phytoplankton vielerorts gute Bedingungen, auch wenn das kalte Wasser viele Stoffwechselprozesse bremst.
Unterschiedliche Produktivität
Doch ist die Produktivität regional sehr unterschiedlich. Die Zentralarktis ist praktisch tot, denn hier blockiert das dicke mehrjährige Eis das Licht. In den eisfreien oder von dünnerem Eis bedeckten Regionen hingegen herrscht ein ausgeprägter Jahreszyklus. Im dunklen Winter befindet sich das Phytoplankton im Ruhezustand. Im April und Mai steigt die verfügbare Sonnenenergie stark an, und in eisfreien Regionen beginnt die sommerliche Planktonblüte, bei der sich die Biomasse des Photosynthese betreibenden Planktons schnell vervielfacht. In eisbedeckten Regionen wird die Planktonblüte verzögert:
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