Meeres-Braut
Kopf so zusammendreschen, bis er die von ihm bevorzugte neue Häßlichkeit aufwies.
Aus irgendeinem Grund verlangte es Okra weder nach der Kürbis-Behandlung noch nach der Ehe. Sie erkannte, daß sie einfach nicht in die Ogergesellschaft paßte. Und so beging sie voller Scham ihre dritte, unogerhafte Tat: Sie haute ab. Sie packte ihren Rucksack aus Drachenleder und begab sich an das dunkle, schmatzende Ufer des Sees, wo ihr kleines, selbstgemachtes ochsenblutfarbenes Boot wartete. Oger waren keine Seeleute, und so hatte keiner der anderen das Fahrzeug als solches erkannt oder gar eine Verbindung zu ihr hergestellt. Sie war schon oft bei Nacht über den See gerudert, weil er dann von einer beglückenden Friedfertigkeit war. Das stellte wiederum einen weiteren Makel ihres Wesens heraus; denn keinen guten Oger verlangte es nach Frieden.
Doch nachdem sie erst einmal ihr Boot bestiegen und die Ogerhöhlen geflohen hatte, wurde ihr klar, daß sie nirgendwo hin konnte. Es war höchst unwahrscheinlich, daß sie irgendwo hingelangen würde, wenn sie kein Ziel hatte, also dachte sie nach, und schließlich fiel ihr mit der Zeit auch ein Ziel ein. Sie würde den Guten Magier aufsuchen, um sich seine Antwort anzuhören! Da sie noch keine Frage hatte, würde sie sich eine ausdenken müssen. Sie überlegte und grübelte und sinnierte und dachte darüber nach, bis ihr Schädel heißlief, und schließlich fällte sie den Entschluß, ihn nach ihrem Glück zu fragen. Was immer der Gute Magier anzubieten haben mochte, es war mit Sicherheit weniger schlimm als alles andere, was hier für sie in Aussicht stand.
Doch sie wußte nicht, wo der Gute Magier lebte. Dieses Problem löste sie nach Ogerart: Sie ruderte und ruderte einfach immer weiter, bis sie vielleicht ans Ziel käme. Während sie das tat, dachte sie weiterhin nach – das war ein Fehler, der sie schon ihr ganzes Leben begleitete – und erkannte, daß ihre Chancen besser stünden, wenn sie ihr Glück nicht dem Guten Magier überantwortete. Sie müßte ihre Frage so stellen, daß die Antwort ihr einen Fingerzeig zur Verbesserung ihres Glücks gab. Doch wie sollte sie das tun?
Verlockend flitzten Fragen um sie herum, ohne jemals ganz in ihren Kopf zu dringen. Das begann sie zu ärgern. Das wiederum verhalf ihr zu einer Idee. Vielleicht sollte sie ja fragen, ob sie ihr Temperament zügeln sollte und, falls ja, woher man die geeigneten Zügel dafür bekam. Doch nach einer Weile wurde ihr klar, daß der Gute Magier vielleicht einfach nur mit »Nein« antworten würde, um ihr dafür einen Jahresdienst abzuknöpfen. Deshalb verwarf sie diese Frage und grübelte weiter nach.
Sie ruderte und ruderte, weil sie ja nicht sehen konnte, wohin sie fuhr, offensichtlich aber noch nicht da war. So hatte sie jede Menge Zeit zum Nachdenken. Schließlich entwickelte sie etwas, was ihr wie die vollkommene Frage erschien: Wie konnte sie zu einer Hauptrolle kommen?
Denn es war offensichtlich, daß jede Kreatur im Reiche Xanth eine Rolle spielte, doch manche waren soviel wichtiger als andere. Alle mußten sie einige Mühen über sich ergehen lassen, doch die Hauptrollen hatten eine wesentlich höhere Überlebens- und Erfolgsquote als die Nebenrollen. Die meisten Oger hatten offensichtlich Nebenrollen, weshalb ihr Leben auch so erbärmlich verlief. Doch wenn Okra es irgendwie schaffte, wichtig zu werden, würde ihr Glück sich schon von allein zum besten wenden.
Im Laufe dieser Überlegungen war die Nacht schon mehrmals zum Tag und der Tag zur Nacht geworden. Noch immer war sie nicht am Ziel und fing langsam an, etwas müde und hungrig zu werden. Doch sie fürchtete, daß sie, sollte sie jetzt mit dem Rudern aufhören, abgelenkt werden könnte und niemals ans Ziel gelangen würde.
Dann gab es plötzlich ein furchtbares Krachen. Sie war angekommen! Doch als sie sich umblickte, mußte sie feststellen, daß es nur ein kahles Uferstück war; weit und breit war kein Magierschloß zu sehen. »Ach, es geht einfach alles schief!« rief sie. »Ich werde nie den Guten Magier finden!«
»Hallo.«
Erschrocken stieß Okra einen Schrei aus und machte einen Satz. Halb benommen fiel sie draußen vor dem Boot wieder auf die Beine. Sie hatte einfach nicht gemerkt, daß jemand in der Nähe war.
Es stellte sich heraus, daß es sich um eine Meerfrau in Nymphengestalt namens Mela handelte. Sie unterhielten sich und beschlossen, gemeinsam den See zu überqueren – inzwischen war es der Küß-mich-See –, weil
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