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Meeres-Braut

Titel: Meeres-Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht vorher gewußt, wie es enden würde. Sie hatte sich immer noch einen Fetzen Unschuld bewahrt.
    In dem Bemühen, für angenehmere Luft zu sorgen, hatte Okras Großmutter haufenweise welke Blumen zwischen das Heu gemischt, mit dem man den Boden des Speisesaals bedeckt hatte. Es war ein wahres Farbgetöse: weiße Magnolien, gelber, orangefarbener und roter Hibiskus, tiefpurpurne Jacaranda, Bougainvillea sowie die berühmten duftenden Lavendelblüten, aus der Großmutter Ogers Medizinalseife hergestellt wurde. All das wurde schnell unter den pilzigen, haarigen Füßen des Ogerclans zertrampelt, als sie zum Essen stapften. Schon bald darauf sah der Speisesaal aus wie eine elegante Frau in schmutzigen Lumpen, die sich stark abgenutzt vorkam.
    Die Küchentür ging auf, und die alte Dienerin Troika Troll kam mit der größten Suppenterrine hereingestampft. Hinter ihr folgten weitere Dienerinnen, alle tiefgebeugt von dem gewaltigen Gewicht der auf ihren Tabletts aufgehäuften Essensmengen. Die letzte, die hereinkam, war Elster, Okras Lehrerin. Sie war in schwarzes Leder und Gefieder gekleidet. Ihre Kleidung war schon mindestens ein- bis zweihundert Jahre aus der Mode, aber das war verständlich, denn Elster war eine Dämonin, die schon an vielen Orten und zu vielen Epochen in Dienst gestanden hatte. Sie war sogar einmal im legendären Menschenschloß Roogna bei Prinzessin Rose gewesen, wo sie beim Hochzeitsbankett anläßlich ihrer Heirat mit dem Guten Magier Humfrey serviert hatte. Später war Rose zur Hölle gefahren, aber eine gute Person geblieben; die Hölle brauchte mehr Rosen, und Rosen waren nun einmal ihr Talent. Wer mochte schon genau wissen, was Elster in ihrer unsterblichen Existenz noch alles mitangesehen haben mochte! Kein Wunder, daß sie gern als Dienerin arbeitete.
    Aber da stolperte jemand und ließ einen Teller fallen, dessen Inhalt sich über Tisch und Fußboden verstreute. »Tölpel!« schrie die Köchin. Erzürnt warf sie mit Geschirr, mit ganzen Händen voll gemahlenem Pfeffer und schließlich mit Okras Geburtstagskuchen durch den Raum. Das ließ die Oger glauben, daß es sich um eine Essensbalgerei handelte, der sie sich freudig zugesellten, um die Luft schon bald mit umhersausenden Nahrungsmitteln zu füllen. Der ursprüngliche Anlaß der Feier war bald vergessen. Nun roch es im Speisesaal nicht mehr nur nach verdorbenem Kohl und welken Blumen, sondern nach allen möglichen anderen, schlechtgewordenen Speisen.
    Entsetzt brach Okra in Tränen aus. Das war natürlich streng verpönt und verhalf ihr zu Kopfschmerzen von Ogerformat. Sie floh hinaus in den Gang – wo sie prompt gegen Großtante Fanny prallte. »Aber Ogerette, was ist denn los?« erkundigte sich Fanny. Junge weibliche Oger bezeichnete man als Ogeretten, obwohl das eigentlich niemanden so recht interessierte.
    »Sie h-haben meine Geburtstagsfeier zunichte gemacht!« schluchzte Okra.
    »Ach, das ist also der Anlaß! Ich dachte, es wäre eine gewöhnliche Essensbalgerei.«
    »Das ist es inzwischen auch.«
    »Na ja, bestimmt wird es noch weitere Geburtstage geben! Wie alt bis du überhaupt?«
    »Ich bin heute dreizehn geworden, Tante«, erwiderte Okra und fühlte sich schon ein wenig weniger schlimm.
    »Ach du liebe große Schleimbeule!« rief Tantchen höflich. »Faulgas und Schwefel! Dann bist du ja überfällig für eine Heirat! Du bist so klein, daß es mir nie eingefallen ist – aber ich werde sofort mit meinem Mann, Kahlfratz von Würgehals, reden. Wir werden uns sofort umhören, welche Ogervettern ersten Grades zur Verfügung stehen.«
    »Aber…« wollte Okra protestieren.
    »Mal sehen, da gibt es den jungen Kriechgurt. Der ist so dumm, daß er sich nicht einmal ein haariges Nasenloch freisprengen könnte, selbst wenn er Dynamit als Gehirn hätte. Der ist ideal! Aber ich glaube, daß eine andere Ogerin bereits ein Auge auf ihn geworfen hat. Dann gibt es die Zwillinge Schleichkamm und Blitzkamm, aber es ist zu schwierig, sich zwischen den beiden zu entscheiden, weil einer stumpfsinniger ist als der andere. Na ja, wahrscheinlich wirst du den Witwer Zoltan Fettlocke heiraten müssen.«
    Den Namen kannte sie nicht. »Wen?«
    Tantchen rammte ihren Schädel durch die Tür, weil die zufälligerweise gerade geschlossen war. Das Holz splitterte. War die Tür doch selber schuld – was stand sie auch im Weg herum! Dann deutete Tantchen mit einem dicken Finger. »Siehst du den schmutzigen alten Oger dort hinten, in den Fellpantoffeln und

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