Meeresblau
solltest ihn um die Ecke bringen. Oder wenn dir das zu drastisch ist, ihm eine solche Drohung um die Ohren hauen, dass er den Rest seines Lebens winselnd unter dem Sofa hockt und seinen gottverdammten Schwanz einkneift.“
„Drogen?“ Sie sprang auf und verlor um ein Haar das Gleichgewicht. „Er hat ihn ausgeknockt?“
„Sagte ich doch.“
Sie ließ Alan links liegen und stürmte nach draußen. Vor der Kabine mit der Nummer vier riss sie mit einem Ruck die Tür auf, sah Nico auf dem Bett liegen und packte ihn mit wutentbranntem Knurren am Kragen. Der Zorn verlieh ihr ungeahnte Kräfte. Es gelang ihr, den überraschten Mann hochzuziehen und mit dem Kopf gegen die Wand zu dreschen.
„Scheiße, Mann. Was war das?“ Nico hielt sich die Stirn mit beiden Händen.
„Was das war? Ein Schiff.“ Sie ließ einen Tritt gegen das Schienbein folgen. „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Was hast du mit Dr. Jacobsen angestellt?“
Nico stöhnte schmerzvoll, doch sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Wie konntest du nur so was vor uns geheim halten? Dein Bettgefährte ist verdammt leichtsinnig. Hast du wirklich erwartet, dass wir es nicht rausfinden? Ich meine, hey, wer hätte das gedacht? Unser berühmter Ehrengast ist ein … Fisch?“
Ohne Vorwarnung rammte Maya ihm das Knie zwischen die Beine. Mit bitterem Genuss registrierte sie Nicos Schmerzenslaut. „Übermorgen verschwindest du“, spie sie ihm entgegen. „Du verpisst dich und kommst mir nie wieder unter die Augen. Verstehe das als fristlose Kündigung. Und wenn du Chris noch einmal zu nahe kommst, ziehe ich dir die Haut in Streifen ab. Dafür nehme ich sogar lebenslänglich in Kauf. Verstanden?“
„Hat er dir das Hirn aus dem Schädel gevögelt?“ Nico wich vor ihr zurück und lächelte, symbolisierte all das, was sie verabscheute. Feigheit, Verlogenheit und Heuchelei. „Ist dir eigentlich klar, was du da beschützt? Komm mal wieder auf den Teppich, Süße. Hast du wirklich erwartet, dein Wunderwesen für dich behalten zu können?“
Maya bleckte kampflustig die Zähne. „Komm mir nicht mehr unter die Augen, bis wir im Hafen anlegen. Sonst vergesse ich mich.“
„Mir schlottern die Knie.“
Nico war so schnell, dass Maya keine Chance hatte. Er warf sie mit voller Wucht gegen die Wand, verdrehte ihren Arm und drückte ihn so fest nach oben, dass sie vor Schmerz fast das Bewusstsein verlor.
„Was willst du tun?“, zischte er. „Mich anzeigen? Mich kielholen? Ihr beide wart zu leichtsinnig, und jetzt müsst ihr den Preis dafür bezahlen. Du hättest ihn nie hierher bringen dürfen. Wer ist hier der Böse, Maya? Ich, weil ich meiner Natur gemäß reagiere? Oder du, weil du deinen Freund erst in die Wolfsgrube geworfen hast?“
Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen. Schmerz und die Gewissheit, dass Nico recht hatte.
„Lass mich los“, hörte sie sich keuchen, doch Nico packte nur noch fester zu. Als sie glaubte, es keine Sekunde länger aushalten zu können, wurde er mit einem Ruck von ihr weggezerrt. Ein Schrecken ging unmittelbar in den nächsten über. Christopher stand vor ihr, hielt den Mann an beiden Schultern fest und sah sie an. Sein Blick besaß nichts Menschliches mehr. Er war kalt, gnadenlos und abgrundtief. Ein Sog erfasste ihren Geist, der von diesen absolut fremdartigen Augen ausging.
„Geh“, sagte er leise. Die Kälte seiner Stimme übertraf die seines Blickes. „Lass uns allein.“
Ferngesteuert von einem Willen, der nicht der ihre war, verließ sie den Raum und ging hinauf auf das Deck. Schwankend erklomm sie die Stahltreppe, die zum Technikraum hinaufführte. Alle Geräte liefen, unbeeindruckt und tadellos. Eine Zeit lang starrte sie auf die blauen Umrisse der Wale, die sich auf dem Sonar-Bildschirm abzeichneten, holte tief Atem und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Es war ein kläglicher Versuch. Eine aussichtslose Bemühung, Ordnung in heilloses Chaos zu bringen. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen, ließ sich auf den Hocker nieder und machte sich daran, die verräterische Sequenz auszuradieren.
„Was soll das?“
Nico schüttelte seine Hände ab und taumelte gegen die Wand. Christopher sah Angst und ergötzte sich an ihr. Er spürte das Lächeln auf seinen Lippen. Das Lächeln eines Wesens, das seit seinem ersten Atemzug in ihm war, doch erst jetzt aus seinem Schlaf erwachte. Alles, was er tat, geschah ohne Nachdenken. Er trat zu Nico hin, legte beide Hände um sein Gesicht und blickte
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