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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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verlief? Hell wie Perlmutt schimmerte die Haut ihrer Beine. Sie war zu glatt und zu hell. Nicht menschlich, sondern unwirklich makellos. Und wie vorsichtig die Frau lief. Jeder Schritt schien ihr Schmerzen zu bereiten.
    „Erkennst du mich nicht?“
    Ihre Hand streckte sich nach ihm aus. Christopher wagte nicht zu atmen, als die Finger seine Schulter berührten und sich an ihn schmiegten. Nachdem sie eine Weile still verharrte, glitt die Hand unter seinen Pullover. Kühl war ihre Haut, versehen mit scharfen Nägeln, die über seine nackte Brust kratzten.
    „Nein“, brachte er hervor. „Ich kenne dich nicht.“
    „Das macht nichts. Bald wirst du mehr wissen.“
    Sie ließ ihre Hand höher gleiten. Verlangen glomm in ihren Augen auf, so freimütig nach außen gekehrt, dass er es endgültig mit der Angst zu tun bekam. Er fühlte sich hilflos und hatte keine Ahnung, warum. Ihr Körper war zerbrechlich. Zierlich wie der eines Vogels. Es wäre ein Leichtes, sie zu überwältigen.
    Die Frau beugte sich vor, kam näher und näher, bis er ihren Atem auf seiner Kehle spürte. Doch als ihre Lippen seine Haut berührten, wich sie aufstöhnend zurück und ging zum Fenster.
    „Was wurde mir nur aufgebürdet?“, stieß sie mit einem Seufzen hervor. „Meine Aufgabe ist schwerer, als ich dachte. Aber niemanden habe ich je mehr geliebt als deine Mutter. Sie war meine Schwester. Meine engste Vertraute.“
    Christophers Gedanken gefroren. Dieses Wesen war die Schwester seiner Mutter? Seiner wahren Mutter?
    „Was weißt du über sie?“, fragte er harscher als beabsichtigt. „Sag es mir!“
    Die Frau neigte den Kopf. Ihre Hand legte sich auf die morschen Bretter, und dann summte sie eine Melodie. Die Schönheit ihrer Stimme war beängstigend. Sie weckte den übermächtigen Wunsch, ihr ewig lauschen zu wollen. Nein, ihr ewig lauschen zu müssen. Die Töne schienen zwischen den Welten zu schweben und trafen etwas in seinem Innersten, von dem er nicht gewusst hatte, dass es existierte. Es tat weh. Und war unbeschreiblich bezaubernd.
    „Du hast den Ruf der See gehört“, sagte die Frau schließlich, wobei das Summen nahtlos in gesprochene Worte überging. „Du hast den Ruf von deinesgleichen gehört. Bald wirst du ihm nicht mehr widerstehen können. Du wirst das Wasser brauchen wie die Menschen den Atem. Das Salz, die Gischt, die Tiefe. Ich bin hier, um die Hoffnung meines Volkes auf Rettung zu erfüllen.“
    „Das muss ein Traum sein.“ Er schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen. Wieder und wieder. „Du bist nicht echt. Du kannst nicht echt sein. Ich träume.“
    „Es ist kein Traum“, raunte sie. „Aber vielleicht sollte ich dir ein wenig bei der Antwort helfen.“
    Und dann begann die Frau, Jacks Lied zu singen.
    „Sehnsucht zieht mich hinaus,
    wenn Wellenschaum meine Füße umspült
.
    Wenn die See mich ruft und lockt
.
    Mir sagt, dass ich nicht bin wie die Menschen
.
    Oh, das Indigo in deinen Tiefen
.
    Du salziges, ewiges Blau
.
    Nimm, Meer, mir die Beine, denn sie zwingen mich an das Land.“
    Als ihre Stimme verklang, klaffte Leere in seinem Inneren. Ein unbestimmbarer Schmerz sickerte wie Säure durch seinen Geist. Er wollte, dass sie wieder sang. Er wollte, nein, er musste sie hören.
    „Dieses Lied hat er für uns geschrieben“, säuselte die Fremde. „Es erzählt von dem, was wir in Menschen wecken.“
    Sie kam wieder zu ihm und strich mit den Fingerknöcheln über seine Wange. Hingabe lag in ihrem Blick. Als hätte sie viele Jahre auf diesen Augenblick gewartet. „Ein paar Menschen glauben noch an uns. Meist die Alten, die noch wissen, wie es ist, sich am Feuer Geschichten zu erzählen. Für alle anderen sind wir nur noch Legenden. Verblassende Sagengestalten.“
    „Wer ist uns?“
    „In manchen Geschichten ist ein wahrer Kern“, war ihre kryptische Antwort. „Aber jetzt würdest du es noch nicht verstehen.“
    „Was verstehe ich noch nicht?“
    „Was du bist. Was du kannst. Ich habe dich gesehen, bei deiner Arbeit auf den Fischerbooten. Du hast getan, was deine Aufgabe war, aber tief im Inneren hast du dich elend gefühlt. Als wäre es ein Teil von dir, der in den Netzen stirbt.“
    Er antwortete mit Schweigen. Ja, er hatte sich elend gefühlt. Er hatte diese Gefühle beiseite gewischt und weitergemacht. Der Ablenkung und des Geldes wegen.
    „Ich weiß, dass sie dich über alles liebt“, sagte die Frau. „Aber es ist nicht gut.“
    „Von wem sprichst du?“
    „Jeanne. Deine

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