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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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drei Tagen sogar noch viel besser«, hielt
meine Großtante beharrlich dagegen. »Heute wirst du ihr erst
einmal von deinem Gordian erzählen.«

Nach dem Essen ließ Tante Grace mich nicht entfliehen, sondern
verdonnerte mich dazu, »klar Schiff« zu machen, was bedeutete,
die Reste in den Kühlschrank zu räumen, das Geschirr
abzuspülen und den Herd und die Anrichte zu wienern, worüber
ich mich mehr als wunderte, schließlich war die Küche
mit all ihrem Gerät das absolute Heiligtum meiner Großtante.
    Anschließend bugsierte sie mich ins Wohnzimmer und
drückte mir das Telefon in die Hand. Sie wartete, bis ich unsere
Lübecker Nummer eingegeben hatte und die Verbindung
hergestellt war. Erst als meine Mutter und ich einige eher belanglose
Worte gewechselt hatten, tappte sie aus dem Raum
und zog die Tür hinter sich zu.
    »Ist sie weg?«, fragte Mam.
    »Ähm … ja«, sagte ich irritiert.
    Sie lachte leise. »Ich höre es an der Art, wie du atmest. Irgendwie
entspannter.«
    »Ist nicht wahr!«, rief ich aus. Aber warum wunderte ich
mich? Ich wusste doch, dass meine Mutter überaus feine Antennen
besaß.
    »Doch, Elodie!«, erwiderte sie. »Mir ging es damals, als ich
bei ihr wohnte, nicht anders als dir. Auch auf mich hat sie
aufgepasst wie ein Schießhund, dabei war ich noch ein ganzes
Stück älter als du. Na ja, ich wette, sie hat sich kein bisschen
verändert.«
    »Oh jaaa, sie ist eine Seele von einem Menschen«, flachste
ich. »Witzig …«
    »Du meinst
ironisch

    »Nein«, widersprach ich. »Sie kann wirklich witzig sein. Außerdem
ist sie warmherzig und sehr klug.«
    Mam seufzte. »Ja, das ist sie. Vor allem aber hat sie sehr gern
alles unter Kontrolle.«
    »Das stimmt«, sagte ich und seufzte ebenfalls, was meine
Mutter auflachen ließ.
    »Du ahnst nicht, was Tante Grace für einen Aufstand gemacht
hat, als sie merkte, dass ich – Achtung, ich zitiere –
außergewöhnlich
viel Zeit mit Javen verbrachte … Hast du ihn
eigentlich mal wiedergesehen?«, erkundigte sie sich beiläufig.
    »Nein«, antwortete ich viel zu schnell. Doch zum Glück
schöpfte Mam keinen Verdacht. »Wieso?«, schob ich hinterher,
in der Hoffnung, ein wenig mehr über die Beziehung zu
erfahren, die sie und Javen Spinx damals zueinander hatten.
    »Na ja«, sagte sie gedehnt, »wir haben uns gut verstanden,
nach meiner Rückkehr nach Lübeck aber leider recht schnell
den Kontakt verloren. Es würde mich wirklich interessieren,
wie es ihm geht.«
    »Ich glaube, er ist sehr beschäftigt«, entgegnete ich. »Hier in
England ist er sogar irgendwie prominent. Er weiß ziemlich
gut über Delfine und Wale Bescheid, schreibt Artikel über sie
und engagiert sich für den Schutz der Meere und so. Der Ärmelkanal
scheint jedenfalls ganz oben auf seiner To-do-Liste
zu stehen.«
    »Hmm«, machte Mam. »Das Leben im Meer hat ihn damals
schon begeistert. Er war ein hervorragender Schwimmer und
hat im Alter von fünfzehn Jahren bereits Tauchkurse geleitet.«
    »Hast du ihn so kennengelernt?«, fragte ich. »Bei einem
Tauchkurs?«
    »Nein«, sagte meine Mutter. Danach herrschte Stille in der
Leitung, und ich dachte schon, das war es jetzt, aber dann fing
sie doch noch an zu erzählen. »Es war an einem Abend gleich
in der ersten Woche. Ich saß auf einer der Klippen am Strand
unterhalb von Tante Graces Garten und plötzlich war er da.«
    Ich hatte Mühe, meinen Atem zu kontrollieren. »Wie? Einfach
so?«
    »Nun, ich war wohl ein wenig in Gedanken versunken gewesen.
Javen kam aus dem Meer. Er war schwimmen, stand
klatschnass neben mir, aus seinen Haaren tropfte es bis auf die
Felsen hinunter, und obwohl es nicht besonders warm war,
schien er überhaupt nicht zu frieren. Am meisten faszinierten
mich seine hübschen Füße und die feinen Häute zwischen seinen
Zehen. Manche Menschen haben ja so etwas. Ich hatte es
allerdings noch nie gesehen. Tja«, fuhr sie fort, »er fragte mich,
ob er sich eine Weile zu mir setzen dürfe, und ich sagte Ja. Ich
glaube, seine Höflichkeit hat mich sehr beeindruckt.«
    »Seine Höflichkeit? Nicht sein Aussehen?« Auf die Schwimmhäute
wollte ich lieber gar nicht erst eingehen.
    »Doch, das auch«, meinte sie versonnen. »Obwohl er eigentlich
noch ein Kind war.«
    »Aber nicht im Kopf, oder?«, bemerkte ich. »Sonst hättest du
dich doch wohl kaum so lange mit ihm abgegeben?«
    »In der Tat war er für sein Alter schon ziemlich reif«, gab
meine Mutter zu.
    »Im Kopf?«
    Mam lachte auf. »Wo denn sonst?«
    »Na

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