Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
der Badewanne um die Beine schwimmt, nicht wahr?»
    «Oder im Gartenteich des Nachbarn.» Auch Morningstar musste lächeln. «Ich hätte die Aliens in den Filmen lassen sollen, wo sie hingehören.»
    «Ich bin kein Alien.» Für einen Moment sah Ondra wieder aus wie das traurige, verlassene Mädchen, als das er sie kennengelernt hatte.
    Spontan wollte er ihr übers Haar streichen. Dabei nahm er eine Vibration wahr, so ähnlich wie das Gefühl, wenn man sich einer Starkstromleitung nähert: dieser Eindruck, als ob die Luft dicker würde, widerständiger, dass da etwas vibrierte, dem man besser nicht zu nahe kam. Er ballte die Finger zur Faust und zog die Hand zurück. Nie wieder würde er vergessen können, dass sie so viel mehr war als ein verirrtes Kind. Jetzt sah er auch, dass ihre Hände zitterten und dass sie ihre Beine nur mit viel Mühe unter Kontrolle hielt, indem sie die Finger um die Knie krampfte.
    «Ich wünschte, ich könnte helfen», sagte Morningstar.
    «Das können Sie», sagte Ondra, die nun endgültig aus ihrem seltsamen Schlaf erwacht schien. «Wir müssen ans Meer.»
    «Nach Broxton?» Er legte den Gang ein und stellte keine weiteren Fragen.
    «Ja, es wird in Broxton geschehen», flüsterte Ondra. Das Lächeln in ihrem Gesicht verschwand. «Wo sonst?», murmelte sie, aber die Frage galt nur mehr ihr selbst, und Morningstar machte keine Anstalten, sie aufzugreifen. Er drehte den Zündschlüssel, ließ den Motor aufheulen und bog wieder auf die Straße ein. Er fuhr noch aggressiver als zuvor und raste über die Serpentinen der Küstenstraße, dass der Kies spritzte. Irgendetwas sagte ihm, dass es schnell gehen musste, obwohl es noch immer ein strahlend schöner Tag war. Die langsam sinkende Sonne tauchte alles in ein mildes, nostalgisches Licht. Der Wind wehte sanft vom Meer her, fast müde. Der Himmel war makellos blau. Nur ganz fern am Horizont zeichnete sich jetzt ein hauchfeiner Schatten ab, der gegen die Sonne kaum zu erkennen war. Nur wer seine Augen beschattete und ihn lange verfolgte, hätte sehen können, wie er dort über dem Meer wuchs und wuchs und wuchs.
     
    Adrian streckte sich im Gras aus und schaute in die Zweige der Bäume. «Seltsam», meinte er, «sonst sind hier immer Vögel.»
    «Sonst? Bist du oft hier?», fragte Maud desinteressiert und nahm sich mit spitzen Fingern eine der Pasteten. Sie nippte an dem Champagner, den er in letzter Minute eingepackt hatte und der etwas zu warm war.
    Christy, fiel es Adrian ein. Als er mit Christy hier gewesen war, hatte alles gelebt. Immer dort, wo sie war, schienen Tiere aufzutauchen. Es war, als strahle sie etwas aus, das alle Lebewesen anzog. Katzen, Hunde, sogar die rüpelhaften Möwen wurden zahm und schienen kurz davor, sich von ihr kraulen zu lassen. Sie hatte etwas, das einen sich bei ihr wohl fühlen ließ. Er schob den Gedanken beiseite.
    «Du hast recht», meinte Maud, legte die Hand über die Augen und betrachtete den Himmel. «Nicht mal Möwen. Normalerweise kann man keinen Krümel Essen auspacken, ohne dass sie auftauchen und zu klauen versuchen. Das ist der Fluch der Küste.»
    «Neulich haben sie mir sogar mein Handy geklaut», entfuhr es Adrian, der sich im selben Moment verwünschte, davon erzählt zu haben. Er wollte mit Maud nichts teilen, keine Erinnerungen, keine Gedanken, nicht den kleinsten Fitzel aus seinem Leben. Finster verzog er den Mund.
    «Echt wahr?», fragte sie amüsiert und schaute mit zusammengekniffenen Augen noch einmal in den Himmel. «Der Himmel ist wie ausgestorben. Wirklich seltsam. Na, vielleicht ist ihnen das Tal hier einfach zu eng.»
    Adrian war froh, dass sie keine weiteren Fragen stellte. Ihr Desinteresse an allem, was ihn betraf, das sie so wenig verbarg und das früher sein Fluch gewesen war, empfand er mittlerweile als einen Segen. Und flüchtig dachte er, dass das sogar eine Basis sein könnte: eingestandene gegenseitige Gleichgültigkeit; es gab Ehen, die auf weniger aufgebaut waren. Dann aber siegte wieder sein Ekel.
    «Mistviecher», rief Maud und zertrat einen Käfer, der sich mit sechs Beinchen ackernd seinen Weg über ihre Stilettos gesucht hatte.
    «Das war überflüssig.»
    Maud schaute auf, erstaunt über die Härte in seiner Stimme, und runzelte die Stirn. «Oh, da kann ich ja froh sein, dass ich mit einem Ultra-Pazifisten verabredet bin.»
    Adrian errötete. Er dachte an den Benzinkanister, den er im Bootshaus deponiert hatte. «Was redest du denn da», murmelte er, weit sanfter im

Weitere Kostenlose Bücher