Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
Haaren, sie fühlte den leichten Schmerz an der Stirn und genoss ihn. Blaue Schatten rauschten vorbei, ein Fischschwarm zersprang in silbrige Reflexe wie ein zersplitterter Spiegel, als sie hindurchstieß. Kein Delphin hätte es mit ihrem Tempo aufnehmen können.
    Ondra wurde erst langsamer, als das Wasser flacher wurde. Hier, wo es warm war, wo Lichtstrahlen wie ein Vorhang alles durchdrangen und ihre an die Dunkelheit des Abyssus angepassten Augen dazu zwangen, sich silbern zu verschleiern, damit sie nicht geblendet wurde, spürte sie Adrian am stärksten. Und bald schon sah sie ihn auch. Das Wasser stand ihm buchstäblich bis zum Hals. Nur mit den Zehenspitzen krallte er sich noch in den sandigen Grund, jede Welle hob ihn leicht und neckend an, dann schnappte er nach Luft und paddelte mit den Armen. Schwimm, dachte Ondra, lass dich einfach fallen. Das Wasser trägt dich.
    Adrian sah zweifelnd aus. Aber dann, als hätte er ihre Aufforderung gehört, holte er tief Luft, faltete die Hände, als wolle er beten, und pflügte sich durch die ankommende Welle.
    Er hatte sich einen guten Tag für sein Debüt ausgesucht. Die Oberfläche des Atlantiks war glatt wie eine Haut, die nicht zerriss, wenn die großen Wogen unter ihr hindurchliefen. Allein Adrian verursachte einiges an Geplätscher und Gespritze. Aber bald wurde er ruhiger, seine Züge regelmäßiger, und sein verkrampfter Atem löste sich.
    Ondra tauchte unter ihn und betrachtete seinen Umriss gegen die Sonne, die ihn mit einer vielfach gebrochenen Aureole umgab. Sie machte sich einen Spaß daraus, seinen Schatten zu kreuzen und zu berühren. Schließlich aber bildete sie, auf dem Rücken schwimmend, durch kaum zwei Meter Wasser von ihm getrennt, sein Spiegelbild. Zärtlich ahmte sie jede seiner Bewegungen nach, formte sie, verbesserte sie. Und es schien, als könne Adrian es spüren; er wurde immer sicherer, sein Stil glatter. Bald zog er wie ein stiller Kahn durch das Wasser, begleitet von der Nixe, die mit kleinen Schwanzschlägen genau unter ihm blieb. Hielt er inne, tat sie es auch, nahm er Tempo auf, folgte sie ihm. Wenn er Wasser trat, wirbelte sie den Sand zu seinen Füßen mit dem ungeduldigen Fächeln ihrer Flosse auf.
    Adrian genoss die seidige Kühle, die an seinen Flanken entlangstrich. Ihm war, als würden die Wasserwirbel ihn liebkosen. Er fühlte sich getragen, geradezu unverwundbar. Einmal hob er den Kopf, um nach Maud Ausschau zu halten. Er sah sie, wie sie auf einen Felsen weiter draußen zuhielt, ein beliebter Zielpunkt für Schwimmer, da man hinaufklettern und ein wenig in der Sonne ausruhen konnte. Sich fühlen wie Robinson.
    Na warte, dachte er und schwamm schneller. Vergessen war der Gedanke an das Bodenlose unter ihm, vergessen die Aale und Krebse und Fische, die sich dort herumtrieben und die an ihm nagen würden, wenn er versank. Vergessen die Kinderangst vor den Monstern der Tiefe. Ihm war, als würde er mit jedem Schwimmzug mutiger. Etwas zog ihn. Hielt ihn. Etwas wollte ihn. Ihm war, als flüstere ihm die Gischt zu, er solle hinausschwimmen, weit hinaus. Immer weiter.
    Maud, dachte er, ich komme.
    Ondra hielt inne. Eben noch hatte sie ihm in ihren Gedanken zugeflüstert, ihr zu folgen. Hatte ihn gestreichelt auf ihre Weise, ihn berührt, ohne ihn zu berühren, und sich gefreut an seiner Zuversicht, seinem wachsenden Feuer, seiner Kraft. Seine Wärme hier draußen war für sie wie eine zweite Sonne. Aber jetzt war kalte Angst dazwischengefahren. Unwillkürlich zuckte sie selbst zusammen. Was war geschehen? Dann bemerkte sie es: Ihr langes Haar hatte seinen Fuß berührt. Noch immer kitzelte eine Strähne seine Fesseln. Und sein Fuß zuckte erschrocken zurück. Eilig ging Ondra auf Abstand, zog die schwarzen Strähnen an sich und wand sich den wogenden Schleier um die Hand. Sie fluchte innerlich. Und in dem Moment, in dem sie ihn losließ in ihren Gedanken, stieg die Panik in Adrian auf.
    «Da war was! Maud! Da war was!» Irgendetwas hatte Adrian am Fuß berührt. Er wusste nicht, was, er konnte nichts sehen, obwohl er versuchte, sich hektisch wassertretend ein Bild zu verschaffen. Wie dunkel das Wasser war, mein Gott, fast schwarz schon. Wie weit war er eigentlich draußen? Er blinzelte das Salzwasser weg und schaute nach dem Felsen. Der war links, weit hinter ihm.
Hinter
ihm? Aber er hatte doch zu Maud gewollt? Wie hatte er sich so vergessen können! Wie kam er nur hierher? Maud, wo war Maud? Da, schon wieder, er war sich ganz sicher:

Weitere Kostenlose Bücher