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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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Er hatte etwas gespürt. Und bewegte sich da nicht ein Schatten? Himmel, es war ein großer Schatten. Etwas Großes, Riesiges. Er hatte es gesehen. Unwillkürlich trat Adrian um sich.
    Still bleiben, mahnte er sich dann. Er hatte einmal gehört, dass es Haie anzog, wenn man zappelte. Ob es ein Hai war? Am liebsten hätte er laut geschrien. Die Panik überwältigte ihn, ihm war, als bekäme er keine Luft mehr. Adrian warf sich herum. Zurück! Er musste zurück zum Ufer. So schnell es ging. Sein Herzschlag dröhnte in den Ohren, seine Kehle krampfte sich zusammen. Er rang nach Luft, aber es wollte keine kommen. Und dann der Krampf, oh Gott, er fühlte ihn kommen, er kroch in seinen Schenkel, direkt aus der Kälte, wie ein Biss.
    Aushalten, sagte Adrian sich, das musst du aushalten. Es ist nur ein Krampf, lass locker, dann wird das schon. Ist alles eine Frage der Einstellung. Bald jedoch schrie er auf. Es war unerträglich. Der Schmerz wurde immer stärker; er lähmte ihn und ließ alle Kraft aus seinem Körper fließen. «Maud!», rief er noch einmal. Dann ging er das erste Mal unter.
    «Adrian?» Maud, die ein paar Möwen verjagt und den Felsbrocken für sich erobert hatte, um nun sorgfältig nach einem Sitzplatz ohne Vogelkot zu suchen, richtete sich auf. Sie war nicht sicher, ob sie etwas gehört hatte. Noch einmal rief sie seinen Namen. «Adrian!» Dazu beschattete sie die Augen mit der Hand, um in der glitzernden Fläche, die sie umgab, etwas erkennen zu können.
    Ondra hielt Adrian fest. Er schlug wild um sich, die Augen geschlossen, den Mund weit offen. Riesige Luftblasen quollen heraus. Seine dumpfen Schreie taten ihren Ohren weh. Aber sie ließ nicht los. Versänke er, würde er sterben. Wenn er aber an die Oberfläche kam, würde diese Frau ihn bemerken, ihn und Ondra. Was sollte sie tun? Adrian, dachte sie.
    In diesem Moment riss er die Augen auf. Groß starrte er sie an. Er sah sie. Ondra konnte nicht anders. Sie presste ihre Lippen auf seine und küsste ihn. Sie küsste ihn lang und leidenschaftlich. Sie fühlte seine Wärme, seinen Herzschlag, sein Schmelzen. Heftig umarmte sie ihn. Aber er lag in ihren Armen wie eine Puppe. Der letzte Atem aus seinen Lungen verschwand als Hauch in ihrem Mund. Wenn sie ihre Lippen von seinen löste, würde Wasser eindringen. Er würde erkalten. Der heftige Strom der Empfindungen, dieses berauschende Delirium aus Bildern, das er ihr in diesem Moment zusandte und das ihr Gehirn wie eine Droge überflutete, würde verblassen und absterben.
    Heftig atmend hielt Ondra ihn von sich ab. Sie suchte ihn mit ihren Blicken zu halten, ihn mit ihren Gedanken zu rufen. Atme, schrie sie ihn an, es ist so einfach, atme Sauerstoff, der Ozean ist voll davon.
    Aber Adrians Kopf begann zu nicken wie ein Algenstängel. Seine Finger lösten sich aus ihrem Haar, in das er sich im Todeskampf – im Liebeskampf? – verkrallt hatte. Luftblasen stiegen aus seiner Nase und versiegten dann. Ondra schaute ihn an. Nox hat recht, dachte sie verzweifelt. Sie gingen so leicht kaputt. Wenn sie ihn jetzt losließe, würde er in die Tiefe trudeln. Wenn die Würmer sein Fleisch gefressen hätten, könnte sie seine Knochen in ihrer Höhle bergen. Er hatte so zart geschwungene Schlüsselbeine. Ondra überlegte einen Moment.

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13. Kapitel
    Im nächsten Augenblick hob sie ihrer beider Köpfe über die Oberfläche. Adrians Gesicht war blass, das Wasser floss aus seinen Augenwinkeln. «Du», flüsterte Ondra schüchtern. Sie war sich nicht sicher, ob er atmete. Noch einmal küsste sie ihn, doch sie ahnte, dass das nicht die richtige Maßnahme war. Seltsame Luftatmer!, dachte sie voller Rührung, aber auch mit schlechtem Gewissen. Sie drückte ihn an sich und seufzte. Er würde einen Menschen brauchen, der sich mit so etwas auskannte.
    Maud stand auf ihrem Felsen und hielt noch immer Ausschau, die Hände abwechselnd über die Augen gelegt und in die Hüften gestemmt. Sie wendete ihnen den Rücken zu. Ihre Rufe nach Adrian hallten über das Wasser und wurden immer besorgter.
    Entschlossen schwamm Ondra mit dem Jungen im Arm auf das Ufer zu, immer darauf achtend, in Mauds totem Winkel zu bleiben. Zur Sicherheit stieß sie einen Möwenruf aus, hoch und gellend. Eine Handvoll der Vögel sammelte sich am Himmel über dem Felsen und begann, Scheinattacken auf den Kopf der Rothaarigen zu fliegen. Maud schrie und fuchtelte wild mit den Händen, duckte sich und flüchtete endlich mit einem

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