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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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Aroma von Erbrochenem. Ein fürchterlicher Dreiklang, der vervollständigt wurde durch die wirren, kaum unterscheidbaren Gedanken, die Ondra auffing. Angst, Wut, Gier, Trieb, alle möglichen Emotionen tanzten im Geist der anderen Ringelreihen und machten es der Nixe schwer, sich von dem düsteren Sog abzugrenzen. Normalerweise hätte dieses Wesen sie zutiefst abgeschreckt. Aber Ondras Entschluss stand fest.
    «Hallo!», rief die Meerjungfrau zurück und streckte eine Hand aus. «Ich bin abgerutscht. Können Sie mir helfen, bitte?» Sie musste husten. Bald wäre auch ihre Luft am Ende. Energisch reckte sie den Arm, so hoch sie konnte.
    Die andere war zum Glück betrunken genug, sich weder zu wundern noch genauer hinzusehen. Sie packte den Arm und zog daran.
    Das war alles, was Aura gewollt hatte. Auch sie langte mit beiden Händen zu, zog sich an ihre Retterin heran und biss kräftig in ihren Unterarm. Ein gellender Schrei ertönte und ein Fluch. Ondra spürte einen Schlag gegen ihren Kopf, aber das war ihr gleichgültig. Alles, was sie fühlte, war das warme Blut zwischen ihren Zähnen, während sie fiel und fiel und fiel. Tief hinab, tiefer, als das Meer es jemals sein konnte.

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17. Kapitel
    Inspektor Knightley gähnte und wandte den Blick ab, als das sirrende Geräusch der Säge einsetzte. Er versuchte sich vorzustellen, sie schnitte jetzt gleich in einen harzduftenden Fichtenstamm, und nicht in die Brust einer jungen Frau, von deren Gesicht nicht genug übrig war, um sie zu identifizieren. Er versuchte, stattdessen die grünen Kacheln anzustarren und dabei an grüne Wälder, Farne und Moose zu denken.
    Um sich abzulenken, ging er hinüber an den Nachbartisch, auf dem die Kleider der Toten in durchsichtigen Plastikhüllen verpackt lagen, soweit Brandung und das Scheuern der Steine etwas von ihnen übrig gelassen hatten. Mit seinen kleinen Händen wühlte er ziellos in dem rutschigen Tütenberg herum. Ein Turnschuh war außerdem noch da, ein Gürtel, ein goldenes Halskettchen, das ihnen vielleicht weiterhelfen könnte, da es auf der Rückseite eines herzförmigen Anhängers den Namen «Dennis» graviert trug, und ein Handy. Knightley nahm die Tüte mit dem Mobiltelefon und drückte durch die Folie hindurch darauf herum. Tot, wie zu erwarten. Nun, vielleicht konnten die Techniker etwas damit anfangen. Er legte das Gerät wieder zurück.
    Hinter ihm war das nervtötende Sägegeräusch verstummt zugunsten eines feuchten Krachens und anderer Laute, über deren Ursprung er nicht weiter nachdenken wollte. Als er sich wieder umdrehte, hob Dr. Morningstar, der Gerichtsmediziner, die Lunge der Toten auf eine Waage. Knightley starrte auf das dunkelrote Gewächs in seinen Händen. Er zog die dunklen Brauen zusammen. «Und?»
    «Ihr Coroner hatte eine gute Nase.» Morningstar lächelte.
    Knightley wusste nicht, was es da zu lächeln gab. «Bei toten Mädchen, die im Wasser treiben, obwohl sie putzmunter an Land herumlaufen sollten, braucht es keine besondere Spürnase», meinte er trocken. «Schon eine Erkenntnis?»
    «Sie meinen, außer dem Umstand, dass sich kaum Wasser in der Lunge befindet?» Der Gerichtsmediziner genoss es, die verschiedensten Gemütszustände über Knightleys Gesicht ziehen zu sehen. Er war zu nachtschlafender Zeit in sein Labor gerufen worden und hatte die rechte Anerkennung für seinen Einsatz bislang noch vermisst. Aber die Überraschung in den Zügen des Inspektors entschädigte ihn für einiges. Nicht allerdings für den Segeltörn, der ihm morgen früh entgehen würde, weil er sich mit dem Papierkram herumschlagen und dann ins Bett kriechen würde, statt auf dem Wasser zu sein, umgeben von frischer Luft und blauem Horizont, eine gekühlte Dose Bier in der Hand. Vor allem frische Luft, dachte er und zog mit dem blutverschmierten Handschuh seinen Atemschutz zurecht.
    «Sie meinen, sie ist nicht …»
    «… ertrunken, ja», bestätigte Morningstar knapp, der eben zu dem Schluss gekommen war, dass nichts ihn für das entgangene Vergnügen jemals würde entschädigen können.
    «Woran ist sie dann gestorben?»
    Morningstar gähnte. «Da sind einige Verletzungen am Schädel, von denen ich aber noch nicht sagen kann, ob sie vor oder nach dem Tod, an Land oder zu Wasser durch den Zusammenstoß mit Felsen oder einem Schiffsbug entstanden sind. Außerdem zahlreiche Abschürfungen und Fraßspuren, die die Bestimmung erschweren.» Er zog seinen Mundschutz herunter und schaute den

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