Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
ihm stand. Verlegen schaute sie sich um und bemerkte schließlich die Dose, die sie immer noch umklammert hielt. Sie löste den Deckel und fand einige Larven, die gar nicht schlecht nach Krill rochen. Sie kostete und fand es nicht übel. Als sie allerdings Adrians Blick sah, hörte sie auf zu kauen und spuckte nach kurzem Überlegen alles dezent hinter einen Busch. Mit gesenktem Kopf reichte sie ihm die Dose, wie ein Kind, das genascht hat.
    Er nahm das seltsame Geschenk, schüttelte seine Überraschung ab und lachte schließlich. «Du bist mir vielleicht ein komischer Vogel», entfuhr es ihm.
    Sie schien nicht beleidigt, nur erstaunt. Bei der Gelegenheit sah er, dass ihre Augen gar nicht schwarz waren, nur sehr, sehr dunkelblau. Sie waren wie seine eigenen. Er streckte ihr die Hand entgegen. «Komm», sagte er. Er wusste nicht, warum er sie zu sich nach Hause bringen wollte. Er tat es eben.
    Ondras Finger schlüpften in seine. «Du hast kalte Hände», sagte er.
    «Und du warme.» Er drückte unwillkürlich ihre Finger. Froh, dass nicht mehr gesagt werden musste, marschierten sie weiter.
    Als sie auf der ersten freien Klippe standen, nahm Adrian die Dose und schüttete ihren Inhalt ins Meer. Ondras Lachen war ansteckend.
    «Für alle Fische dieser Welt», rief sie und warf das Futter, das sie noch vom Boden des Behälters kratzen konnte, in die Luft.
    «Und für alle Vögel dazu.» Lachend beobachtete Adrian, wie die Möwen sich darum rauften, einen der Bissen im Flug zu erhaschen. Der Wind blies ihnen ins Gesicht, der Himmel leuchtete. Außer Atem vor Lachen, schauten sie einander an. Dann machten sie einen Schritt aufeinander zu.
    Adrian strich über ihr Haar, dessen Strähnen in der Luft herumtanzten und ihr immer wieder ins Gesicht flogen. Sie wollten einfach nicht still liegen. «Christy», sagte er leise. Dann fiel ihm ein: «Ich heiße übrigens Adrian.»
    «Ich weiß», sagte sie und hob ihm das Gesicht entgegen.
    Adrian wurde nervös. «Ach ja, das habe ich vermutlich damals erwähnt, ich meine, als wir uns das erste Mal … da war ich … ich wollte … ich habe es gesagt. Oder?»
    Sie legte sich eine Hand auf die Brust. «Ich weiß es, hier drinnen», flüsterte sie. «Ich weiß dort ganz viel über dich.» Sie war glücklich. Endlich konnte sie seinen Geruch wieder wahrnehmen. Endlich fühlte sie ihn wieder. So tot alles andere für sie war, so lebendig und vertraut kam er ihr vor, genau, wie es immer gewesen war. Nur war er jetzt näher, wirklicher, aufregender. Sie konnte seine Wärme spüren, seine Aufregung und auch die kleine Angst, und … aber …
    Ondra hob den Kopf und starrte ihn an. Bei aller Nähe, wurde ihr plötzlich klar, hatte sie nicht die geringste Ahnung, was er im Moment dachte. Und wie sie ihn dazu bringen sollte, als Nächstes das zu tun, was sie wollte. Singen, das war ihr klar, würde nichts nützen. Und sie bekam eine Gänsehaut.
    Adrian sah es und strich ihr über die nackten Schultern. Ondra schloss die Augen. Furcht und Wohlgefühl durchströmten sie gleichermaßen. Unwillkürlich seufzte sie. Und dann, während ihre Gedanken noch rotierten und fragten und planten und suchten, legten sich seine Lippen auf die ihren. Und alles war gut.
    Als sie sich nach einer Weile voneinander lösten, gab es keine Fragen mehr.
    «Deine Lippen sind kalt», sagte Adrian und drückte sie an sich.
    «Deine warm», murmelte sie an der Wärme seiner Brust. Beide waren so glücklich, dass nichts mehr gesagt werden musste.
     
    Als sie durch das Gartentor zwischen die Rosen traten, rief Adrian schon von weitem nach seiner Tante. Er war aufgeregt wie ein kleines Kind. Für einen Moment erinnerte er sich des kleinen Jungen, der er einst gewesen war, wie er mit roten Wangen und außer Atem den Weg heraufrannte, dem Beginn der Ferien und dem Menschen entgegen, den er auf dieser Welt am meisten liebte. Und er spürte ein wenig von dem alten Gefühl wieder.
    «Tante Rose! Tante!»
    Sie kam ihm aus dem Haus entgegen. «Da war ein Anruf für dich, Adrian», sagte sie und wischte sich die farbverschmierten Hände an ihrem Malerkittel ab. «Ach, was sage ich, einer:
Dreimal
hat Maud schon angerufen. Sie klang ganz ungewöhnlich …»
    In dem Moment trat Ondra hinter Adrian hervor, und Rose verstummte. Eine Weile schaute sie das Mädchen nur an, musterte die nackte Haut, die grellen Textilien. «Ich verstehe», murmelte sie.
    «Das ist Christy», sagte Adrian. «Wollen wir nicht reingehen?»
    «Christy»,

Weitere Kostenlose Bücher