Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
dachte sie, passierte so etwas nicht öfter. So oder so, das Leben als Mensch war voller Tücken und definitiv verbesserungsfähig.
    Eine Stunde später lief Ondra die Küstenstraße entlang auf Broxton zu. Ihr neongelber Minirock war etwas kürzer als die schwarzen Haare, die ihr über den Hintern wippten, ihr Shirt saß atemberaubend, und die Sandalen über ihrer Schulter glitzerten in der Morgensonne. Sie sah aus, als käme sie verdammt spät von einer Party heim. Hin und wieder fuhr ein Auto an ihr vorbei. Manche hupten. Ondra wusste nicht, wieso, und ignorierte es. Manchmal hielt eines, und sie hörte Pfiffe. Manchmal gab es eine Beinahe-Karambolage, oder jemand geriet aus der Spur. Wie durch ein Wunder kam es aber an diesem Morgen vor Broxton zu keinem schwereren Unfall. Und auch Ondra gelangte unbeschadet ins Dorf.
     
    Inspektor Knightley erhob sich. Von den dunkel getäfelten Wänden der Pension «Seaside Home» grüßten ihn Stiche von alten Windjammern und Hochzeitsbilder der Queen und Lady Dianas sowie ein Porträt von Kate Middleton. Das war wohl die weibliche Note, die Neds Frau mit eingebracht hatte. Ned stand ebenfalls auf und hob die Hände. «Ihre Beamten können sich gerne in den Zimmern umschauen», sagte er. «Ich habe nichts zu verbergen.» Er lachte. «Perlenketten schon gar nicht, fürchte ich.»
    «Perlenketten?» Seine Frau kam aus der Küche. «Seit der Hochzeit verspricht er mir eine, Officer.»
    «Inspektor, Schatz», verbesserte Ned gelangweilt und warf Knightley einen entschuldigenden Blick zu. Er wechselte in eine andere Ecke des Raumes und begann, sich eine Pfeife zu stopfen.
    «Schon bei der Verlobung sagte er mir: Ich kauf dir Nixentränen.» Sie schnaubte.
    «Nixentränen?», hakte Knightley nach.
    «Perlen.» Neds Stimme klang trocken. «So nennen wir das hier, Inspektor. Kommt von einem alten Kinderlied.»
    «Jedenfalls hab ich nie welche gesehen, nicht mal ’nen Ring.»
    Ned bemühte sich um ein Lachen.
    Knightley grüßte. «Ich werde dann mal.» Er ging zur Tür.
    Ned hielt sie ihm auf. «Glauben Sie wirklich, er hat sie mit einer Perlenkette erwürgt?»
    Knightley seufzte. Um den Hals der Ermordeten hatte Morningstar ein Muster aus kugelförmigen Abdrücken gefunden, das nur den Schluss zuließ, dass sie mit einer Perlschnur gewürgt worden war. Er hatte es für einen Fehler gehalten, dieses Detail an die Öffentlichkeit zu geben. Aber es war schwer, in Broxton herumzulaufen und ein Objekt mit perlgroßen Kugeln zu suchen, ohne zu erklären, wonach man fahndete. Außerdem waren da seine Officers, die mit der Hälfte des Dorfes verwandt oder verschwägert waren. Und wusste es ein Broxtoner, wussten es alle.
    «Andere können sich Perlenketten leisten», bemerkte Harriet und faltete die frische Tischwäsche auseinander.
    Ihr Mann wandte sich nach ihr um. «Oh bitte, Liebling.»
    Knightley blieb nicht lange genug, um den Verlauf des ehelichen Disputes zu verfolgen. Auf dem Pier stehend, grüßte er die Beamten, die eben aus dem Surf-Verleih kamen und die Finger an ihre Mützen legten, als sie ihn bemerkten. Knightley nickte. Auf dem Weg zum Supermarkt, wo er pflichtschuldigst dem nächsten Broxtoner die Frage nach der Perlenkette stellen wollte, bemerkte er den jungen Ames. Gutaussehender Bursche, bisschen unruhig, ein Außenseiter, dachte Knightley. Schwer einzuschätzen. Die ganze Familie war seltsam. Irgendwie passte der Junge nicht recht hierher, er passte überhaupt nicht ins Bild. Aber immerhin schien er hier ein Mädchen zu haben. Denn als Ames an der Tür eines Hauses klingelte, das sichtlich mitten im Renovierungsprozess steckte, so wie die Farbeimer, Folien und Lappen sich neben dem Eingang stapelten, öffnete ihm eine junge Frau und lehnte sich sofort mit verschränkten Armen gegen die Türfüllung. Sie wirkte bockig und er unglücklich, befand Knightley. Das klassische Liebespaar in der Krise. Befriedigt nickte er erneut, als sie begannen, lebhaft und heftig gestikulierend miteinander zu diskutieren. «Junge», sagte er nach einer Weile zu sich, während er betont langsam zu Toms Verleihshop schlenderte, «die ist nicht ohne.» Er grinste und setzte im Geiste Maud St. Aubry auf seine Vernehmungsliste, mit einem dicken Ausrufezeichen.

[zur Inhaltsübersicht]
19. Kapitel
    «Wie kannst du so etwas sagen!» Maud warf die Arme hoch. «Denkst du denn immer nur an dich?»
    «Aber Maud, ich … ich …»
    «Dass andere sich vielleicht verletzt fühlen könnten. Dass sie

Weitere Kostenlose Bücher