Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
wiederholte Rose nach einer ganzen Weile. «Christy und wie weiter?»
    Ondra erschrak, aber Adrian nahm ihre Hand und meinte, sie habe Eisfinger und brauche erst mal einen heißen Tee, ehe sie mit der Befragung begännen.
    In der Küche bot er Ondra Platz auf einem der blauen Stühle an. Rose räumte ein angefangenes Aquarell fort. Adrian, gut gelaunt, lobte es überschwänglich. Kommentarlos ließ Rose Wasser in die Kanne laufen. «Wer ist das?», fragte sie ihren Neffen leise über die Schulter. «Ich bin ja wahrhaftig kein Fan von Maud, aber …»
    Adrian versuchte, sie zum Schweigen zu bringen. Laut rief er über die Schulter. «Das Bad ist links, Christy, falls du …»
    «Danke», erwiderte sie glücklich, «aber ich möchte nicht schwimmen.» Sie wandte den Kopf zum offenen Fenster, wo sich der Kater zeigte, der Rose und Adrian manchmal hier oben besuchen kam. Er war ein Wildfang, der Fressen gnädig entgegennahm, wenn es ihm mit drei Schritten Abstand serviert wurde, ein riesiges rotgetigertes Zottelvieh mit nur einem Auge. Er sprang auf das Fensterbrett, bemerkte Ondra und fauchte.
    Sie fauchte zurück und zeigte dabei Eckzähne, die kaum weniger spitz waren als seine eigenen.
    Unwillkürlich zuckte Adrian zusammen.
    Auch der Kater schien nachzudenken. Dann hopste er auf Ondras Schoß, rollte sich dort zusammen und ließ sich kraulen.
    «Wie heißt er?», fragte sie, da dies das Wichtigste zu sein schien, was hier alle voneinander wissen wollten.
    Adrian zuckte mit den Schultern. «Keine Ahnung.»
    «Keine Ahnung», schnurrte sie und kraulte dem Monstrum den Hals. «Und wie weiter?»
    Rose warf ihrem Neffen einen Blick zu.
    Adrian lachte hilflos. «Also das, das ist wirklich witzig. Wirklich.» Er ging hinüber, setzte sich auf den Stuhl neben Ondra und streckte die Hand nach dem Kater aus, der sofort nach ihm schlug. Ondra strahlte ihn an. Adrian vergaß die Striemen.
    «Machen Sie hier Urlaub, Christy?», fragte Rose und stellte mit Nachdruck die Kanne auf den Tisch.
    «Ich weiß nicht», antwortete Ondra wahrheitsgemäß. «Ich habe keine festen Pläne. Es kommt alles darauf an.»
    «Verstehe», sagte Rose und ließ den Blick vielsagend über Ondras Kleidung wandern. «Festes Schuhwerk haben Sie offenbar auch nicht.»
    «Tante», zischte Adrian und sprang auf. «Aber es ist wirklich kühl hier drin. Ich hol dir einen Pulli, ja?»
    «Gern. Ich habe tatsächlich Hunger.» Ondra konnte nicht aufhören, ihn anzulächeln, auch nicht, als er, die Augen stets auf sie gerichtet, gegen den Türrahmen lief.
    Rose zuckte nicht einmal zusammen, als sein Kopf gegen das Holz krachte. Immerhin stand sie auf und holte einen Teller Ingwerkekse, den sie Ondra hinstellte.
    Die starrte erst Rose an, dann die braunen Dinger. Als Rose mit spitzen Fingern eines nahm und daran knabberte, tat sie es ihr nach und riss die Augen auf. «Die sind ja süß! Adrian», rief sie entzückt, als er mit einem blauen Pullover wiederkam. «Die sind süß, probier mal.» Sie nahm einen Keks, steckte ihn Adrian in den Mund und drückte ihm dann einen begeisterten Kuss auf die krümeligen Lippen.
    Verliebt küsste Adrian sie zurück. Dann errötete er. Es war alles noch so neu.
    «Und was macht Ihr Vater so beruflich?», fragte Rose.
    Adrian trat sie unter dem Tisch ans Schienbein.
    «Pardon, ich meine, was machen Sie so beruflich? Verzeihen Sie einer alten Frau ihre überkommenen Gewohnheiten.»
    «Also mein Vater», begann Ondra. Aber sie musste nicht lange überlegen. «Er ist Forscher», sagte sie schließlich, «auf einer Station am Südpol. Ich sehe ihn nicht allzu oft.»
    «Am Südpol?»
    «Das tut mir leid», sagte Adrian und ergriff Ondras Hand.
    «Meine Mutter ist tot.»
    «Oh», sagte Adrian, weil nichts mehr zu sagen blieb, und drückte ihre Finger fester. Sie erwiderte die Berührung.
    «Verstehe», sagte Rose langsam. «Und Sie leben …?»
    «Oh, meistens passt eine Freundin auf mich auf. Sie wohnt ein Stück die Küste runter.» Ondra war stolz auf diesen Einfall, der so dicht an der Wahrheit lag. Immerhin lebte Aura gar nicht weit von der Küste, nur ein Stück weg in Richtung hoher See.
    Rose glaubte, einiges besser zu verstehen. Zwei junge Dinger ohne Eltern, ganz auf sich alleine gestellt. «Sie passt aber nicht allzu gut auf Sie auf, oder?», fragte sie, in deutlich milderem Ton.
    Ondra senkte den Kopf und kicherte in ihre Tasse. «Das sagt Papa auch, jedes Mal, wenn er sich meldet.» Dann wurde sie ernst. «Wir haben uns

Weitere Kostenlose Bücher