Meerestochter
zu können. Sie schlief bereits fest, ihr Mund stand leicht offen und ein Speichelfaden rann auf den Teppich. «Nur zu», seufzte er. «Es ist chinesische Seide, echt antik.» Dann stand er auf, um vom Sofa eine Kamelhaardecke zu holen und sie über Ondra zu breiten. Dabei konnte er nicht anders: Er strich mit der Hand über das kühle Leder seiner Couchgarnitur. Tot, dachte er, zweifellos. Dann schaute er zu der schlafenden Nixe hinüber.
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35. Kapitel
Maud stand im Garten und starrte Adrian an, der Kisten mit Altmetall zum Tor schleppte. «Sag das nochmal», forderte sie.
Er stellte seine Last ab und wischte sich mit dem Unterarm über die verschwitzte Stirn. Sein Hemd hatte er offen gelassen, und sie konnte seine glänzende Brust und den flachen Bauch sehen. Sie legte ihre Hand auf die Stelle knapp oberhalb des Zwerchfells. «Hat dir das letzte Nacht denn überhaupt nichts bedeutet?», fragte sie leise.
Adrian schaute sie ungerührt an. «Nicht mehr als dir», erwiderte er.
«Aber Adrian.» Sie wagte einen Augenaufschlag. Eine kleine Pause folgte, ehe sie sagte: «Ich liebe dich.»
«Klingt gut», sagte er und bückte sich, wobei ihre Hand abglitt. Er griff wieder nach seiner Kiste. «Fast echt. Weich, ein bisschen Pathos, aber nicht zu viel, ein Hauch Kleinmädchen in der Stimme. Beinahe perfekt, Maud. Aber eben leider nur beinahe.» Er hob seine Last wieder an. «Denn du bist ein verlogenes Miststück.»
In ihre großen Augen traten Tränen. Sie öffnete leicht den Mund.
Adrian blieb ungerührt. «Spar dir die Nummer», sagte er. «Ich fall nicht mehr drauf rein.»
Auf die Flut der Tränen folgte abrupt Ebbe. Ihr Gesicht verzerrte sich. «Und du bist tot», rief sie hinter ihm her. Sie ging ein paar schnelle Schritte auf dem Kies, blieb dann aber, behindert von ihren Absätzen, wieder stehen und hob die Stimme, als er durchs Tor verschwand. «Hörst du mich: ein toter Mann.»
Adrian kam zurück. «Die Todesstrafe wurde in diesem Land abgeschafft», sagte er.
Sie verzog den Mund. «Du weißt, was ich meine.»
«Und du weißt, wo die Grenze liegt, Maud, nicht wahr? Oder wieso bemühst du dich persönlich hierher, mit tiefem Ausschnitt und Lidschatten?» Er nahm einen Schluck aus der Flasche, die er sich im Schatten bereitgestellt hatte, und lehnte sich an einen gusseisernen Rosenbogen, ehe er die Arme verschränkte.
«Ich weiß nicht, wovon du redest.» Sie zog das Dekolleté ihres Kleides zurecht und blickte beiseite.
«Nein? Aber ich habe nachgedacht, Maud. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dir als verurteilter Verbrecher im Gefängnis gar nichts nütze. Ich würde um mein Vermögen kommen, nicht wahr? Und kein Geld – keine Baulizenz. Dann habt ihr es wieder mit Rose zu tun, und sei versichert, ich werde ihr klarzumachen wissen, dass sie mit einer Bande wie euch nicht verhandeln soll. Ach was», er machte eine wegwerfende Handbewegung. «Das brauche ich gar nicht, das weiß sie ohnehin schon.» Er schnippte mit den Fingern. «Aus der Traum vom großen Geld. Also geh doch zur Polizei mit deinen großartigen Beweisen.» Er ließ die Hände sinken und steckte sie in die Hosentaschen. «Mich siehst du nicht wieder.»
«Und das fällt dir
jetzt
ein.» Maud knetete nervös ihre Handtasche.
Adrian wusste, worauf sie hinauswollte. Die Bilder der letzten Nacht waren auch ihm noch nicht aus dem Kopf gegangen. Er hatte sie gehalten, er hatte sie geküsst, mit etwas, das Leidenschaft zumindest nahegekommen war. Er konnte schlecht behaupten, den Orgasmus nur vorgetäuscht zu haben, auch wenn er sich wünschte, es wäre so gewesen. Und es schmeichelte ihm, dass auch ihrer verdammt echt gewirkt hatte. Eine Maud ohne Kontrolle, ja, er musste zugeben, er hatte es genossen.
Adrian schämte sich und kaschierte es mit einem Schulterzucken. Als er sie einfach nur geliebt hatte, rief er sich ins Gedächtnis, hätte sie kein Stück Brot von ihm genommen. Diese eine Nacht verpflichtete ihn zu gar nichts. «Hey», sagte er, ohne lange nachzudenken, «nimm’s leicht. Du hast es doch eh nur wegen meines Geldes gemacht.» Es tat ihm leid, noch ehe es ganz heraus war.
Die Ohrfeige folgte dem letzten Wort auf den Fuß.
Erschrocken hielt er sich die Wange. «He», brachte er nur heraus.
Maud war blass vor Wut. So blass und so wütend hatte er sie noch nie zuvor gesehen. «Ihr seid alle gleich», zischte sie. Sie schien noch mehr sagen zu wollen, doch sie verstummte. Es dauerte eine
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