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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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würden fündig werden.»
    Sie schnitt ihm eine Grimasse. «Im Wasser ersaufe ich wie jeder andere.»
    Er lachte. «Apropos: Haben Sie Durst?» Er ging in die Küche. «Bitte entschuldigen Sie die etwas pompöse Einrichtung. Meine Frau hat vor ihrem Weggang versucht, sich das Zusammenleben mit mir durch eine ausgefallene Innenarchitektur erträglich zu gestalten. Als es nichts mehr zu gestalten gab, starb auch diese Hoffnung, und sie verließ mich unter Zurücklassung von …», er machte eine weit ausholende Bewegung, «… dem hier.»
    «Was ist Innenarchitektur?», fragte Ondra und nahm das Glas, das er ihr reichte.
    Wieder lachte er. «Sie sind einmalig, wissen Sie das?»
    «Wenn ich etwas weiß, dann das. Prost», fügte sie hinzu, stolz darauf, diese Floskel gelernt zu haben. Sie schaffte es gerade noch, den Strahl, den sie ausspuckte, in Richtung Spüle zu lenken. Ganz traf sie allerdings nicht. «Oh», sagte sie.
    Morningstar griff nach einem Lappen, um die roten Rinnsale von den makellosen weißen Möbel-Fronten und vom Fußboden zu wischen. «Macht nichts», sagte er, auf den Knien rutschend, «ich fand es immer schon albern, in der Küche handgewebte Wollteppiche liegen zu haben. Missoni, wenn ich mich nicht irre. Das ging nur gut, weil ich hier nie koche.»
    «Was ist das?», fragte Ondra und roch misstrauisch an dem Rest in ihrem Glas.
    «Cabernet Sauvignon, ein guter Jahrgang. Wein», fügte er hinzu, als er ihr Gesicht sah. Und präzisierte dann: «Vergorener Saft von Trauben.»
    «Es schmeckt kaputt.»
    «So kann man es auch ausdrücken. Vielleicht etwas Mineralwasser?» Morningstar sah ein wenig müde aus.
    «Haben Sie Salzwasser da?»
    Er zog die Brauen hoch, sagte aber: «Ich kann Ihnen eins machen.» Er holte eine Flasche und die Salzmühle. «Geschüttelt oder gerührt?», fragte er, während er damit zugange war.
    Ondra blinzelte verständnislos.
    «Ach, vergessen Sie’s. Faszinierend», murmelte er wenig später wieder, während er zusah, wie sie die Brühe schluckte, die ihn schon beim Ablecken seiner feucht gewordenen Finger das Gesicht verziehen ließ.
    «Ich kann aber auch Tee trinken», sagte Ondra, wie ein Kind, das mit Purzelbäumen prahlt.
    «Hat der Mann von Rose das auch gemacht?», fragte Morningstar und wies mit dem Kinn auf das geleerte Glas.
    «Ich weiß nicht.» Ondra wurde abweisend. «Ich kannte ihn nicht.»
    «Verstehe.» Morningstar nickte und schob eine Hand in die Hosentasche. «Setzen wir uns?» Mit der freien Linken wies er auf das Sofa.
    Ondra schauderte es bei dem Gedanken an das Leder. Sie ging zum Esstisch und nahm sich einen Stuhl.
    Morningstar folgte ihr kommentarlos. «Kennen nicht alle Meermenschen einander?», fragte er, während er den Stuhl zurechtschob.
    Sie runzelte die Stirn. «Kennen alle Menschen einander?»
    «Ich verstehe.» Morningstar wiegte den Kopf und überlegte, ob sie antworten würde, wenn er nach einer Zahl fragte.
    Da fuhr Ondra fort: «Ich könnte, wenn ich wollte, aber ich will nicht.»
    «Verstehe», wiederholte Morningstar, der sichtlich gar nichts mehr verstand.
    «In den meisten Köpfen sieht es uninteressant aus. Nicht so uninteressant wie in denen der Menschen, das nicht, aber trotzdem haben mich nicht viele gereizt.» Sie rieb sich die Stirn. «Irgendwas war mit dem Wein. Mir ist schwindelig.»
    «Schon?», fragte der Pathologe erstaunt. «Sie haben doch nicht einmal etwas davon geschluckt.»
    «Ich hab doch gesagt, das Zeug war kaputt.»
    «Ja, ja. Um noch einmal auf die Sache mit den Köpfen zurückzukommen. Habe ich das richtig verstanden: Sie gehen da rein? Sie betreiben also so etwas wie Telepathie?» Ihr verständnisloser Blick veranlasste ihn, beide Hände zu heben. «Mein Fehler, lassen Sie es mich umformulieren.»
    Ondra presste die Hände gegen die Schläfen. «So schwindelig», murmelte sie.
    «Christy, bleiben Sie bei mir. Sie lesen die Gedanken anderer Lebewesen, habe ich das verstanden? Oh, ich gäbe ein Vermögen darum, dabei eine Computertomographie machen zu können!»
    «Ich kann nicht lesen.» Ihre Stimme wurde leiser. «Muss nicht lesen. Alles lebt.» Sie lallte beinahe, ihre Zunge war schwer. «Aber hier nicht, hier ist … alles tot. Sogar Ihr Sofa ist tot.» Sie glitt vom Stuhl und rollte sich unter dem Tisch auf dem Teppich zusammen. «Schlafen», brachte sie noch heraus.
    Morningstar, beide Hände ordentlich rechts und links des Tischsets abgelegt, neigte sich leicht zur Seite, um einen Blick auf sie werfen

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