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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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unverhohlen auf die Brüste stierten. Eine un würdigere Situation konnte ich mir kaum vorstellen.
    Ich holte tief Luft und blendete ihre Blicke aus.
    »Sind Sie Aimees Vater?«, fragte ich den Stämmigen.
    Er schob die Schiffermütze zurück, kratzte sich an der Stirn und nickte schließlich. »Und der Kapitän.«
    Gut. – Das war sogar sehr gut.
    »Hören Sie, ich bin Elodie Saller. Grace Shindles ist meine Groß…«
    Weiter kam ich nicht, denn in diesem Augenblick erschütterte ein gewaltiges Poltern das Schiff.
    Bitte, bitte nicht!, dachte ich nur. Greift um Himmels willen jetzt nicht den Tanker an!
    Die Männer warfen einander panische Blicke zu. Ich bemerk te, wie zwei Uniformierte ihre Hände unter ihre Jacken schoben, Pistolen hervorzogen und entsicherten. Sie lehnten sich mit dem Rücken gegen die Reling und spähten über ihre Schultern ins Wasser hinunter. Der Scheinwerfer war noch immer auf die Stelle gerichtet, an der sie mich heraufgezogen hatten.
    »Haie!«, zischte der eine. »Da unten wimmelt es nur so von Hai en. Sie schlagen ihre Flossen gegen das Schiff!«
    »An die Harpunen, Männer!«, brüllte ein anderer. »Und bringt die Mädchen unter Deck.«
    Die beiden, die mich festhielten, zerrten mich zurück.
    »Nicht schießen!«, schrie ich und wehrte mich, so gut ich konn te. »Es sind keine Haie, sondern Nixe. Die meisten von ihnen leben seit vielen Jahren unter euch!«
    Etliche Augenpaare richteten sich auf mich. Ungläubigkeit, Angst, aber auch Neugierde schlugen mir entgegen.
    Einer der Uniformierten ließ seine Pistole sinken, und Aimees Vater hob die Hand, um seinen Leuten zu bedeuten, die Ruhe zu bewahren und mir zu Ende zuzuhören.
    Im nächsten Moment krachte ein Schuss. Stille. Dann Hektik.
    »Scheiße noch mal«, knurrte Kapitän Ledoux. »Wer hat den Befehl dazu gegeben?«
    Alle starrten den Uniformierten an der Reling an. Er hielt sei ne Waffe mit beiden Händen umklammert und zielte aufs Wasser hinunter.
    Nicht schießen!, flehte ich innerlich. Lass ihn keinen treffen! Lass es nicht Cyril sein!
    »Bitte«, stieß ich hervor. »Mein Bruder ist dort unten …«
    Aimees Vater presste die Lippen zusammen. Um seine Augen zuckte es. Seine Skepsis mir gegenüber war unverkennbar, aber er wollte offenbar auch keinen Fehler machen.
    »Treten Sie zurück und stecken Sie die Waffe ein!«, befahl er dem Uniformierten schließlich und wandte sich dann sofort wie der mir zu. »Komm her, Elodie Saller«, sagte er und winkte mich zu sich heran. »Schau nach.«
    Die beiden Männer lockerten ihren Griff. Ich machte mich los und lief zur Reling. Das Herz klopfte mir bis zum Hals, als ich den Blick aufs Meer warf. Im Lichtkegel des Scheinwerfers trieb ein einzelner Hainix auf den Wellen. Er lag auf der Seite, seine Brustflosse ragte aus dem Wasser. Darunter trat Blut hervor. Aber er atmete noch … Er lebte und versuchte zu verhindern, dass Meerwasser durch die offene Stelle in seiner Außenhaut drang.
    Nicht Cyril, betete ich. Die Erinnerung daran, wie er ausgese hen hatte, nachdem Kyan, Liam, Niklas und Pine ihn angegriffen und dabei seine Haihülle verletzt hatten, tat mir beinahe körper lich weh. Bitte, lass es nicht Cyril sein.
    »Ziehen Sie ihn raus!«, rief ich. »Bitte, ziehen Sie ihn raus. Dann werden Sie sehen, dass er kein Ungeheuer, sondern … ein Mensch ist.«
    Wieder Zögern. Zweifel. Angst.
    »Bitte!«, flehte ich. »Er wird niemandem etwas tun.«
    »Okay.« Kapitän Ledoux nickte. »Werft ein Netz aus!«
    Der Boden des Schiffdecks dröhnte unter hektischem Fußge trappel, und es dauerte eine ewig lange Minute, bis das Netz end lich herbeigeholt und von drei Männern gleichzeitig über Bord geworfen wurde. Es versank neben dem Hai im Wasser. Bevor es jedoch vollständig abgetaucht war, zogen die Männer es mit weni gen geschickten Handgriffen um den Nix und unmittelbar darauf mit einem kräftigen Ruck über ihm zusammen.
    »Vorsicht beim Heraufholen«, ordnete Kapitän Ledoux an. »Und macht den Scheinwerfer aus.«
    Er trat neben mich und legte mir eine Decke über die Schultern.
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sagte er leise.
    »Schon okay«, erwiderte ich, obschon die Art und Weise, wie ich hier behandelt wurde, alles andere als in Ordnung war. Doch im Augenblick forderte der Hai, der nun langsam, Meter für Me ter, an der Schiffswand heraufgezogen wurde, meine ganze Auf merksamkeit.
    In der Sekunde seiner Verwandlung ging ein Raunen durch die Männergruppe hinter mir.

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