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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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unseren Kummer vergessen.

    Als sich die Morgensonne über den Inselkamm erhob und Gor dian und mich in ihr sanftes orangerotes Licht tauchte, fühlten wir uns noch immer wie im Paradies, doch schon einen Atemzug später änderte sich alles. Es war das Meer, das diese Harmonie zerstörte, indem es unruhig gegen die Klippenwand unterhalb der Grasfläche klatschte, auf der wir eng umschlungen lagen. Es schleuderte seine flirrenden Gischttropfen bis zu uns herauf und holte uns schlagartig in die Realität zurück.
    Wie ertappt fuhr ich hoch und mein umherfliegender Blick bemerkte die dunkle Erhebung im Westen sofort. In einer Breite von mindestens zwanzig Metern türmte sich die Wasseroberfläche zu einer riesigen Welle auf, die in einem irrsinnigen Tempo auf uns zurollte.
    »Gordy!«, schrie ich.
    Nur einen Sekundenbruchteil später war er auf den Beinen, warf mich über seine Schulter und rannte auf die höchste Erhebung der kleinen Insel zu. Links von uns bemerkte ich die großen dunklen Leiber dreier Mönchsrobben, die sich eilig von ihren Ruhefelsen ins Meer gleiten ließen, und nur einen Augenblick später brach sich die Welle hinter uns an der Felswand. Das Wasser ergoss sich über die Grasfläche, schoss bis zu uns hinauf und umspülte tosend Gordians Knöchel.
    »Verdammt noch mal, was soll das?«, fluchte er.
    Ich spürte, wie sehr er zitterte, als er sich gegen die Verwand lung seiner Beine in einen Delfinschwanz auflehnte.
    »Das Meer bestraft uns«, keuchte ich. »Für das, was wir getan haben.«
    Nein, Elodie, nein!, widersprach Gordy. Ich habe nicht eine einzige Sekunde den Drang verspürt, dir etwas anzutun.
    Das hatte ich auch nicht. Aber dafür konnte es eine ganz ein fache Erklärung geben.
    Das Meer braucht uns. Es hätte niemals zugelassen, dass wir uns gegenseitig verletzen oder sogar töten.
    »Es war nicht falsch!«, brüllte Gordy gegen das Rauschen an.
    Als wollte sie ihm widersprechen, sprudelte die Welle noch ein mal kräftig auf, wich dann zischend zurück und riss einige lockere Steine mit sich ins Meer hinab.
    Im Gegenteil: Es war das Schönste … das Wundervollste, was mir das Leben bisher geschenkt hat, flüsterte Gordian, während er mich lang sam zu Boden ließ. Und ich verspreche dir, ich werde es auf ewig in meinem Herzen tragen. Wofür auch immer wir bestimmt sein mögen, ich werde dich nie vergessen. Seine Lippen wanderten zärtlich über mein Gesicht, liebkosten meine Braue, meine Wange, meinen Nasen flügel und meinen Mund. Ich liebe dich mehr als alles auf dieser Welt, und ich schwöre dir, Elodie, ich werde sie nicht eher verlassen, bis ich dich wiedergefunden habe.

Gordian und ich standen da wie mit der kleinen Insel Bugio ver wachsen. Wir hielten uns in den Armen und trotzten der tosen den Wut des Atlantischen Ozeans, der wieder und wieder seine Wellen zu uns heraufwarf.
    Wir wussten ja, dass wir uns trennen mussten, heute noch, aber über den Zeitpunkt – die Minute, in der es geschah – wollten wir selbst bestimmen.
    Ich für meinen Teil war noch nicht so weit. Nach all dem, was wir in der vergangenen Nacht miteinander erlebt hatten, schaffte ich es einfach nicht, mich von ihm zu lösen. Meine Augen waren voller Tränen, die störrisch in meinen Wimpern hingen. Ich woll te nicht weinen, sondern stark sein und mutig, und ich wollte ganz fest daran glauben, dass Gordy und ich mehr waren als bloß ein Werkzeug des Meeres, das einzig dazu diente, es vor seinem Tod zu bewahren. In Gordians Armen fühlte ich mich geborgen. Eingehüllt in seinen Duft und seine Wärme, kam es mir vor, als lebte ich nur durch ihn. Und gleichzeitig hielt ich ihn und küsste die Tränen, die ungehemmt aus seinen Augen flossen, von sei nem Kinn. – Mein Nix, so wunderschön und groß und männlich und doch so sanft und so verletzlich und unendlich traurig.
    Du bist meine Heimat, Elodie , sagte er zärtlich. Mein Alles. Dich zu verlieren, schmerzt tausendmal mehr, als nicht mehr zu meiner Familie zu gehören. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so empfinden könnte.
    Dann bleib am Leben, erwiderte ich leise flehend. Wenn Kyan dich …
    Schsch. Gordian verschloss mir den Mund mit einem langen Kuss. So weit werde ich es nicht kommen lassen.
    Ein letztes Mal versank ich in seinem türkisgrünen Blick, wäh rend die Morgensonne vom blauen Himmel herabschien und mit ihren wärmenden Strahlen unsere Haut streichelte. Im widersin nigen Kontrast dazu tobte das Meer um uns herum immer wilder.
    Kommt

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