Meerestosen (German Edition)
Niklas und Pine, die qualvoll gestorben waren.
Der Schmerz explodierte in meinem Herzen und weitete sich zu einem quälenden Brennen in meinem Brustkorb aus. Vielleicht war es nicht angemessen, von Schuld zu sprechen, aber daran, dass Gordian und ich der Auslöser für all diese schrecklichen Er eignisse waren, gab es für mich nicht mehr den geringsten Zweifel.
Ich musste nichts sagen, Gordys Blick sprach Bände. Natürlich hatte er meine Gedanken gelesen und natürlich sah er die Dinge genauso wie ich.
Was geschehen ist, können wir nicht rückgängig machen, sagte er, während er mich fest in seine Arme schloss. Aber wir müssen alles tun, um den drohenden Krieg zwischen Delfinen, Haien … und Menschen zu verhindern.
Ja, das war unsere Aufgabe.
Ich spürte den kräftigen Druck von Gordians Händen auf mei nem Rücken und die Zuversicht und Entschlossenheit, die darin lag.
Meine Eifersucht auf Kirby erschien mir plötzlich unglaublich kindisch. Verzeih mir, flüsterte ich und erwiderte Gordys innige Umarmung, so fest ich konnte.
Er küsste mich auf die Wange und durchflutete mich mit seiner Wärme. Hör auf damit, sagte er leise. Ich habe dir nichts zu verzeihen.
Er drückte mich noch ein letztes Mal, und als wir uns schließ lich voneinander lösten, um Idis und Kirby zu folgen, verdunkelte sich über uns das Meer.
Schwimm!, brüllte Gordian und mein Körper reagierte unmittel bar. Mit eng angelegten Armen schlug ich meine Schwanzflosse kraftvoll hin und her und stob in rasender Geschwindigkeit in die Tiefe. Erst als der Druck in meiner Lunge zunahm, meine Bewe gungen schwerfälliger wurden und meine Atemzüge zu schmerzen begannen, besann ich mich und glitt hastig wieder nach oben.
Es irritierte mich, dass weder Riffe noch einzelne Felsen oder ein Grund auszumachen waren, und mir wurde schlagartig be wusst, dass ich jedem, der mir etwas antun wollte, schutzlos aus geliefert war.
Ich verlangsamte mein Tempo und drehte mich in einem rasan ten Wirbel einmal um mich selbst. Als ich feststellte, dass sich nie mand in meiner unmittelbaren Nähe befand, war ich im ersten Moment unendlich erleichtert. Aber ich hatte auch Gordy nicht entdecken können und schon schnitt mir die Sorge um ihn aufs Neue die Luft ab.
Hoch über mir waberten die Schemen dreier nahezu bewe gungsloser Gestalten und augenblicklich überkam mich Panik. Verdammt, das konnten doch nur Hainixe sein, die Gordian ins Visier genommen hatten und auf eine günstige Gelegenheit war teten, ihn anzugreifen. Zweifellos benötigte er meine Hilfe, denn nur ich würde meine Artgenossen davon abhalten können, ihn zu töten.
Ein einziger Flossenschlag genügte und ich schoss pfeilschnell in Richtung Oberfläche und auf die Schemen zu.
Stopp!, zischte eine Stimme.
Ich bemerkte einen Schatten, dann glitt etwas unter mich.
Halt dich an meiner Rückenflosse fest!
Ich spürte die zarte Berührung eines Delfinleibs an meinen Fingern. An der weißen wellenförmigen Braue über dem rechten Auge erkannte ich, dass es Idis war, erst danach registrierte ich ihre blonden Locken und den zarten menschlichen Oberleib un ter der Außenhülle.
Jetzt mach schon!, rief sie angespannt und ich griff zu.
Ein Ruck ging durch meinen Körper, fast wäre die Flosse durch meine Hände geglitten, und Idis riss mich mit sich fort, in einer lang gezogenen Kurve ins Meer hinaus.
Verdammt noch mal, was machst du denn?, fauchte ich.
Dich in Sicherheit bringen, war ihre knappe, atemlose Antwort.
Das ist nicht nötig, ich bin überhaupt nicht … Neuerliche Wut brach sich in mir Bahn. Zum Teufel noch mal, Idis, es geht hier nicht um mich. Wir müssen Gordy helfen!
Keine Sorge, der kommt schon klar.
Nein! Nein! Nein!, tobte alles in mir.
Ich war drauf und dran, Idis loszulassen und zurückzuschwim men. Doch ich besann mich. Ganz sicher würde auch sie ihren Bruder nicht einfach im Stich lassen. Womöglich schätzte ich die Gefahr vollkommen falsch ein und machte alles nur noch schlim mer, wenn ich mich einmischte.
Der Sog, den die Auf- und Abbewegung von Idis’ Schwanzflos se unter mir verursachte, kitzelte mich am Bauch und machte mir bewusst, dass ich sie die ganze Arbeit allein tun ließ.
Sofort setzte auch ich meine Flosse in Bewegung. Das Wasser verwirbelte zwischen unseren Körpern und verlangsamte deutlich unser Tempo.
Zum Neptun noch mal, Elodie, machst du das mit Absicht?, stöhnte Idis. Mit deinem Gezappel bringst du mich völlig aus dem Takt.
Entschuldigung,
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