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Meerhexe

Meerhexe

Titel: Meerhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irma Krauss
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gestanden hätten.
    Vergessen wir das.
    Heute ist der heißeste Nachmittag, den wir bisher im Juli hatten. Alle Leute (außer denen, die so blöd waren, bei U. Falkenhauser vorzusingen) befinden sich im Schwimmbad, mit Sicherheit jedenfalls Britta, Franziska und Denise. Ich soll nachkommen.
    Aber mir ist die Lust dazu vergangen. Die drei erfahren noch früh genug, dass ich die Rolle der kleinen Seejungfrau nicht gekriegt habe und stattdessen zum Monster befördert wurde. Ich sehe keine Notwendigkeit, das ausgerechnet auch noch im Badeanzug zu verkünden.
    Heimgehen will ich aber auch nicht. Denn falls meine Mutter nicht gerade ihren geistesabwesenden Zustand hat, wird auch sie mich fragen. Selbst Oma ist informiert und drückt mir im Moment wahrscheinlich (neben ihren Schülern sitzend) noch immer die Daumen, obwohl schon alles entschieden ist. Zu ihr kann ich also auch nicht.
    Übrigens, vor U. Falkenhauser habe ich mir nichts anmerken lassen, o nein! Ich war, wie sie das in Büchern nennen, versteinert. Ich nahm das Urteil an, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn er mich für seine Hauptrolle nicht will - bitte schön. Wenn er eine graue Maus besser findet - auch recht. Tränen fließen lassen? Ich doch nicht!
    Aber wohin soll ich jetzt gehen?
    In diesem Moment fällt mir einer ein, der garantiert nichts vom Vorsingen an meiner Schule weiß. Der sich außerdem nach hübschen Mädchen wie Britta und Denise auch dann nicht umdreht, wenn sie ihn von hinten behüsteln. Dem also die verdammte Idealfigur eines Mädchens offensichtlich so egal ist, wie sie es von jetzt an für mich sein soll.
    Torsten.
    Über der ganzen Singerei und meiner falschen Fixierung (auf U. Falkenhauser) habe ich ihn ein paar Tage lang fast vergessen. Jetzt aber muss ich an seinen hübschen Nacken, an seine Hände und die schüchternen Augen denken. Und daran, dass er mich praktisch eingeladen hat.
    Möglicherweise ist Torsten auch im Schwimmbad. Aber falls nicht, will ich das als ein Zeichen werten. Falls er allein zu Hause sitzt, sind er und ich zwei einsame Seelen, die einander irgendwie suchen.
    Mir wird nicht übel von dem kitschigen Gedanken. Ich nehme die S-Bahn zu ihm hinaus.

Von digitalen Traumfrauen und vom Warten auf die Sonnenfinsternis

    Es gibt anscheinend Zeiten im Leben, die haben’s in sich. Da denkt man, alles ist verkorkst, vermurkst und die Sonne scheint nie wieder.
    Apropos Sonne. Ob die bevorstehende totale Sonnenfinsternis, die wir am elften August erwarten, schon ihren Schatten vorauswirft und alles negativ beeinflusst? Ich kann es mir ja nicht vorstellen, aber manche Leute fürchten sich vor dem Ereignis. Und in meiner jetzigen Stimmung bin ich fast ihrer Meinung, obwohl es natürlich reiner Aberglaube ist.
    Mein Besuch bei Torsten beginnt immerhin gut. Torsten ist tatsächlich daheim, und zwar allein. Der Schreck fährt ihm in die Knochen.
    Ich spiele Strahlefrau, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlägt, und sage munter: »Hallo, Torsten. Ich würde mir gerne deine Computerspiele ansehen.«
    Das Sesam-öffne-dich-Wort tut wieder seine Wirkung. Torsten erholt sich gleich vom Schreck und kommt zur Sache. Er geht mir voran in sein Zimmer, zeigt auf den Bildschirm und legt los über die Frau, die ich dort sehen kann, als hätte er sie eigenhändig erfunden. Als Schamanin besitzt sie magische Kräfte, kann Blitze schleudern, Tornados und Erdbeben auslösen oder Vulkane ausbrechen lassen. Mit dem passenden Zauberspruch überflutet sie das Land und ertränkt die Gegner. Auf ihr Wort hin rast ein Feuerball durchs feindliche Gebiet, oder es entstehen plötzlich Berge, wo vorher keine waren. Sehr beeindruckend! Was mir an der Schamanin nicht so gut gefällt: Sie ist eine absolute Kurvenfrau, Riesenbusen, Wespentaille und darunter ein Nichts von Röckchen über tollen Oberschenkeln.
    Torsten nimmt sich keine Zeit, mir einen Platz anzubieten. Rückt nur mit seinem Stuhl ein Ideechen nach rechts. Dabei lässt er keinen Blick vom Bildschirm. Wahrscheinlich würde er es erst nach drei Stunden merken, wenn ich jetzt heimlich abhaue.
    Aber das fällt mir ja gar nicht ein. Um die schwarzhaarige Schamanin loszuwerden, tue ich so, als sei ich scharf auf weitere Spiele. Torsten freut sich. Garantiert ist ihm noch niemand untergekommen, der alle Spiele auf einmal sehen wollte. Doch irgendwie habe ich mich bei der Sache verkalkuliert. Anstatt das Zeug hinter mich zu bringen und vielleicht dann mal normal mit Torsten zu reden, kriege ich die

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