Meg Finn und die Liste der vier Wünsche
will sie küssen.«
»Das ist alles? Sie küssen?«
»Nun ja …«
»Du meine Güte. Sie sind als Stratege ungefähr so begabt wie General Custer.«
Auf Lowries Hemd begannen sich dunkle Flecke abzuzeichnen. »Ich habe mit so was keine Erfahrung. Ich dachte, du würdest mir helfen.«
» Ich werde sie ganz bestimmt nicht küssen. Es hat mir gereicht, wenn ich meine Oma küssen musste.«
»So weit kommt’s noch. Wenn hier jemand küsst, bin ich das, klar?«
»Klar.«
»Gut.«
»Okay.«
»Also, wenn ich den Startschuss gebe, übernimmst du. Schaff meine alten Knochen irgendwie da runter. Um den Rest kümmere ich mich dann schon.«
Meg nickte. »Mach ich. Und jetzt hören Sie auf mit den Selbstgesprächen, die setzen sich alle wieder hin.«
Cicely brachte das Publikum mit einem Wink ihrer eleganten Hand zum Schweigen. Sie war eine beeindruckende Frau, hoch gewachsen, mit stahlgrauem Haar und großen, braunen Augen. Es war nicht schwer, Lowries Begeisterung zu verstehen.
»Guten Abend, meine Freunde.« Sie zwinkerte verschwörerisch. »Ich muss so tun, als wäre es Abend, wegen der Wiederholung am Samstag.«
Das war typisch Ward. Die Regie würde, es auch in der Aufzeichnung senden. Das Publikum lachte fröhlich, und im Handumdrehen waren alle Sorgen vergessen.
»Heute Abend geht es in unserer Sendung um ein Thema, das uns alle irgendwann schon einmal beschäftigt hat. Meine Gäste und ich sprechen diesmal über verlorene Liebe.«
Lowrie hätte sich beinahe übergeben. Seine Schweißdrüsen produzierten Liter um Liter.
»Verlorene Liebe?«, kicherte Meg. »Ich fasse es nicht.«
»O nein«, stöhnte Lowrie. »Das ist zu viel. Ich kann das nicht.«
Besorgt zupfte eine Frau ihn am Ärmel. »Ist alles in Ordnung?«
Lowrie hatte das Gefühl, ihm würde mit einer Luftpumpe das Gehirn aufgebläht. »Mir geht’s gut, danke. Ich brauche nur etwas frische Luft.«
Er erhob sich auf seine wackligen Beine und kam sich plötzlich albern vor. Neue Kleider? Kuss für Sissy? War er verrückt geworden?
»Wo wollen Sie hin?«
»Nach Hause. Wo ich hingehöre!«
Meg pflanzte sich vor seiner Nase auf. »Nein! Das können Sie nicht. Nicht, wo wir so weit gekommen sind!«
»Geh mir aus dem Weg!«
Schon steckten sie mitten in einem handfesten Streit. Auf beiden Seiten wandten sich ihnen die Köpfe zu.
»Setzen Sie sich wieder hin!«
»Ich kann nicht.«
»Was wollen Sie tun? Davonlaufen, nach Hause, und sterben?«
Das Blut dröhnte Lowrie in den Ohren und übertönte seine Gedanken. »Ja!«, rief er über das Rauschen hinweg. »Ja, ich gehe nach Hause, um zu sterben!«
Eine Feststellung wie diese zieht die Aufmerksamkeit ziemlich schnell auf sich. Auf der Bühne war es mucksmäuschenstill. Sogar die Kameramänner hatten aufgehört, Kaugummi zu kauen.
Cicely Ward schirmte die Augen gegen die Scheinwerfer ab.
»Ist alles in Ordnung, Sir?«
Lowries Hals war so trocken wie seine Hände feucht. Typisch.
»Los jetzt!«, drängte Meg.
»Nein …«
»Brauchen Sie Hilfe?«
An den Seiteneingängen sammelten sich unauffällig ein paar muskulöse Sicherheitsleute.
»Kommen Sie, Partner! Das ist wieder so eine falsche Entscheidung.«
»Ich kann nicht.«
Cicely Ward kniff die Augen zusammen. »Kenne ich Sie nicht?«
Lowrie holte tief Luft und kreuzte ihren fragenden Blick.
»Hallo, Sissy.«
»Sissy? So hat mich niemand mehr genannt, seit … O mein Gott – Lowrie?« Die Fernsehmoderatorin wich einen Schritt zurück, wobei sie fast über eine niedrige Stufe gestolpert wäre.
Nun begannen die Sicherheitsleute zu laufen und sich wichtigtuerisch mit Handzeichen zu verständigen.
»Vorwärts, Lowrie!«
McCall starrte seine Freundin von vor fast einem halben Jahrhundert an. Ihre Augen waren noch dieselben. Genau wie früher. »Also gut, Partner. Bring mich da runter.«
»Wurde auch Zeit«, seufzte Meg und glitt in den Körper des alten Mannes.
Lowrie gab sofort das Steuer aus der Hand, wie ein Passagier bei einer Karussellfahrt. Aber er blieb Herr seiner Gefühle. Er spürte, wie die Kraft und Leidenschaft der Jugend durch seine alten Knochen pulsierte.
»He, Sissy«, rief Meg. »Bleib genau, wo du bist, Süße.
Lowrie hat … Ich meine, ich hab da was für dich.«
Innerlich stöhnte Lowrie. Das Mädchen hatte eindeutig zu viele amerikanische Filme gesehen.
Nun gaben die Sicherheitsleute auch den letzten Rest gespielter Zurückhaltung auf und stürzten sich wie eine Herde wütender Nashörner auf ihn. Ihr
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