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Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Titel: Meg Finn und die Liste der vier Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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wahrscheinlich ist sie genauso lang und öde wie die letzte?«
    Lowrie zog eine Grimasse. »Ich fürchte, ja.«
    »Na gut, dann mal raus damit«, seufzte Meg und machte es sich in ihrem Sitz bequem – allerdings nicht zu bequem, aus Angst, der Sessel könnte sie vereinnahmen.
    Lowrie lächelte. »Wenn du darauf bestehst.« Er fischte eine seiner unvermeidlichen Zigarren aus der Tasche und schob sie sich zwischen die Backenzähne. Anzünden ging jedoch nicht, schließlich war dies öffentlicher Nahverkehr.
    »Damals vor dem Krieg –«, begann er.
    »Vor welchem?«
    »Vor dem Weltkrieg.«
    »Dem Ersten?«
    »Dem Zweiten, du Naseweis. Ist doch unwichtig.«
    »Das sähen ein paar Franzosen aber sicher anders.«
    »Für meine Geschichte. Für meine Geschichte ist es unwichtig.«
    »Na, werden wir jetzt etwa ungeduldig, Lowrie?«
    »Warum wohl?! Also, damals vor dem Zweiten Weltkrieg beschloss mein Vater, mich ins Internat zu schicken.«
    »Hat das was mit dem Krieg zu tun?«
    »Nein. Eigentlich nicht.«
    »Dachte ich’s mir doch! Und ich hatte mich schon so auf eine Kriegsstory gefreut.«
    »Das war nur wegen der zeitlichen Einordnung. Ach, vergiss es.«
    »Tut mir Leid, Lowrie. Erzählen Sie weiter.«
    »Nein.«
    »Nun hören Sie schon auf zu schmollen und erzählen Sie mir die Geschichte.«
    »Muss denn dieser Zirkus jedes Mal sein?«
    Meg nickte. »Leider ja. Sie sind zu alt, als dass ich es mir leisten könnte, mich mit Ihnen auf Anhieb zu verstehen.«
    »So was hatte ich mir schon gedacht. Also gut, ich erzähle weiter. Aber nur, weil ich weiß, dass du es in Wirklichkeit kaum erwarten kannst, meine Geschichte zu hören. Ist doch bloß deine blödsinnige Teenager-Aufmüpfigkeit, die dich immer wieder dazu bringt, mich zu unterbrechen.«
    Lowrie begann seine Erzählung. Während er sprach, traten Bilder aus ihm heraus und tanzten ihm um den Kopf wie der Traum eines Impressionisten. »Ich war ein eher schmächtiger Junge ohne Geschwister, und Dad meinte, das Internat würde aus mir einen richtigen Kerl machen. Das war damals anscheinend eine ziemlich verbreitete Ansicht, bevor Doktor Spock –«
    »Was hat denn Raumschiff Enterprise mit Ihrem Internat zu tun?«
    » Doktor Spock, der berühmte Kinderarzt. Hast du denn noch nie ein Buch gelesen?«
    »Klar hab ich das!«, gab Meg ein wenig zu forsch zurück. Sie hielt es jedoch nicht für notwendig zu erwähnen, dass sie noch nie ein Buch ohne Bilder zu Ende gelesen hatte.
    »So wurde ich also mit elf Jahren ins Westgate College für Jungen verfrachtet. Ein reizendes Institut, das nur so von Sadisten und gürtelschwingenden Mönchen wimmelte.«
    Meg nickte voller Mitgefühl. Es erinnerte sie an ihre Wohnsiedlung.
    »Zum Frühstück gab es Haferbrei, und zum Mittag- und Abendessen eine saftige Tracht Prügel. Wir hatten nur vier Fächer: Latein, Irisch, Rechnen und Fußball, und in keinem davon war ich gut. Und da ich weder reich noch ein Dubliner war, wurde ich sehr bald zu einem der unbeliebtesten Jungs der Schule.«
    »Die Story ist nicht zufällig von Charles Dickens, oder?«, warf Meg in dem Versuch ein, belesen zu wirken. Sie hatte nämlich Oliver Twist ungefähr zwanzigmal gesehen. Es war der Lieblingsfilm ihrer Mam gewesen.
    »Aber ich bekam eine Chance, mich zu bewähren. Nach sechs Monaten der reinsten Hölle ergab sich eine Gelegenheit …«
    »Lassen Sie mich raten: Sie haben es vermasselt?«
    Lowrie sog grimmig an der kalten Zigarre. Sein Gesichtsausdruck sagte alles.
    »Und, was ist passiert?«, hakte sie nach. Ihr Ziel, eine ironische Bemerkung pro Satz zu machen, war längst vergessen.
    »Die Westgate-Juniormannschaft flog im Halbfinale der College-Meisterschaften raus. Das Team durfte nicht nach Croke Park. Einmal dort zu spielen war damals der Traum jedes Jungen. Also schlich sich eine Gruppe von uns nachts aus dem Schlafsaal und marschierte quer durch die Stadt zum Stadion. Die Jungs von der Mannschaft wollten über den Zaun klettern und ein bisschen herumkicken, nur um sagen zu können, sie hätten in Croke Park gespielt. Jeder durfte mitkommen, sogar arme Bauernjungen wie ich.«
    »Und was ist schief gelaufen?«
    »Ich bin ohne Schwierigkeiten am Zaun hoch. Aber ich habe mich einfach nicht getraut, auf der anderen Seite runterzuklettern.«
    »Sie haben gekniffen.«
    Lowrie sah aus wie ein Häufchen Elend. »Ja, ich weiß, ich habe gekniffen. Das eine Mal, als ich die Chance hatte … Das einzige Mal, bei dem ich mitmachen durfte. Ich weiß nicht,

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