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Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Titel: Meg Finn und die Liste der vier Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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der Linie bleiben sollte.
    Also tat ich so, als wollte ich den Ball auf ihn werfen, wie man es tausendmal mit seinen Freunden macht. Nur mit dem Unterschied, dass Ball nicht mein Freund war. Ich zielte auf ihn. Und er zuckte zusammen.
    Na und? Ist doch nicht schlimm, denkst du jetzt vielleicht. Eigentlich hast du Recht. Aber Ball sah das anders. Für ihn bedeutete es den Weltuntergang. Es war vermutlich das Schlimmste, was ihm in seinem kurzen, verwöhnten Leben passiert war. Er hatte sich von einem Bauerntölpel vorführen lassen.
    Ich schätze, es dauerte bestimmt zwei Tage, bis die Feuerröte seiner Wangen wieder verblasste. Dann begann er eiskalt, Pläne zu schmieden.
    Und ich Blödmann dachte, ich hätte dem Mistkerl die Stirn geboten, und er würde mich nun in Ruhe lassen. Von wegen.
    Das Grundstück des Westgate College erstreckte sich hinter den Fußballfeldern noch über eine weite Wiese, die bis zur Liffey hinunterreichte. Jeden Sommer kam ein Bauer mit einer Mähmaschine und konnte gegen eine bescheidene Summe dort Heu sammeln.
    Natürlich war es verboten, nach Einbruch der Dunkelheit zum Fluss zu gehen. Außer in der Woche nach den Prüfungen im Juni. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass während dieser paar Tage die Schüler der Abschlussklasse sich auf eine abendliche Zigarette am Flussufer treffen durften. Nur die der Abschlussklasse. Offiziell verboten, aber stillschweigend toleriert.
    Ich hätte nie da runtergehen sollen. Meine einzigen Verbündeten, die Jungs aus der Fußballmannschaft, übernachteten nach einem Freundschaftsspiel in Roscommon. Ich hätte im Schlafsaal bleiben und die Zerrung in meiner Schulter auskurieren sollen, die mich vom Spielfeld fern hielt, und die Stunden zählen, bis ich nach Hause durfte.
    Aber es würden ja nur Internatsschüler am Ufer sein, sagte ich mir. Ball und seine Bande waren brav zu Hause bei ihrer Mami. Also zog ich den Verband um die Schulter fest, fuhr mir mit dem Kamm durch die Haare und wanderte hinunter zur Wiese.
    Ich ging in Hemdsärmeln, einen dicken Zopfpullover um die Taille geknotet. Der Knoten war so groß wie ein Fußball. Ich erinnere mich noch genau an den Pulli, denn darüber hatten sich die Stadtkerle auch schon lustig gemacht. Sie behaupteten, meine Mutter hätte ein unschuldiges Schaf gepackt und es an den Hufen aus seinem Mantel gezerrt.
    Die Jungen lagen ausgestreckt am Ufer, bliesen Rauch in den blauen Abendhimmel oder warfen Steine ins Wasser. Ich setzte mich dazu und nahm mir ebenfalls eine Hand voll Kiesel. Aus heutiger Sicht klingt das wahrscheinlich nicht besonders spannend, bei all der Unterhaltung, die ihr jungen Leute so habt. Aber für uns war es das Größte, einfach faul am Flussufer zu sitzen und der Rock’n’Roll-Musik zu lauschen, die von der Stadt herüberwehte.
    Dann tauchte Ball auf. Und natürlich war er nicht allein. Seine geifernden Hyänen umkreisten ihn wie Planeten die Sonne. Eigentlich hatten sie dort nichts zu suchen. Tagesschüler durften sich abends ebenso wenig hereinschleichen wie Internatsschüler hinaus. Doch Ball hatte eine Rechnung zu begleichen, und so war er mit seinem Anhang ein Stück flussaufwärts über einen Damm hergekommen.
    Ich stützte den Kopf auf die Hände und hoffte. Vielleicht waren sie wegen etwas anderem da. Was hatte ich schließlich verbrochen? Nichts. Nur so getan, als wollte ich einen Ball werfen.
    Ich spürte, wie sie vor mir stehen blieben. Ihr Gekicher erstarb, während sie darauf warteten, dass die Party begann. Was auch immer geschehen mochte, es würde schlimm werden. Für die übliche Schikane machte sich Ball nicht die Schuhe nass.
    Es war natürlich Brendan, der das Schweigen brach. »Guten Abend, Mister McCall. Wie läuft’s denn so in der Bauerngemeinde?«
    Wir Jungen benutzten nur selten solche Worte wie »Gemeinde«. Sie fühlten sich für uns seltsam an. Doch Ball tat es. Er redete wie ein Nachrichtensprecher im Fernsehen.
    Ich antwortete nicht. Es war keine wirkliche Frage. Egal, was ich sagen würde, es verschaffte ihm nur einen Vorwand, auf mich loszugehen.
    Er trat gegen meinen Fuß. »Nun? Wie ist das Leben in deinem degenerierten kleinen Stall?«
    Ich wusste nicht mal, was degeneriert überhaupt bedeutete. Aber ich erinnere mich trotzdem an das Wort.
    »Ist deine Mutter noch mehr Schafen an die Wolle gegangen?«
    Alles lachte los. Schafen an die Wolle gehen – ha, ha, ha. Nun, jetzt musste ich etwas sagen. Schließlich kann kein Junge zulassen, dass jemand

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