Mehr als ein Sommer
geregelt kriegte, weil du ewig auf ihrem Schoß gesessen hast. Ich würde schon sagen, dass sie dich gern hatte.«
»Hat dich das gestört?« Trevor stotterte wegen dieser unerwarteten Neuigkeiten. »Ich meine, dass ich ihr Liebling war.«
»Scheiße, nein. Ich mochte dich ja auch.« Brent beugte sich leicht vor und boxte Trevor sanft gegen die Schulter. Tränen brannten hinter Trevors Augen. Er krümmte seinen Arm und legte ihn um den Hals seines Bruders, rieb mit den Fingerknöcheln fest über Brents Kopfhaut. Brents Kappe fiel auf den Boden, und er hob sie mit einem Grinsen wieder auf. »Hast du noch mehr so blöde Fragen?«
Eine hatte Trevor noch, doch wusste er, dass jeder ausgewachsene Mann nur mit Spott reagieren konnte, wenn man ihn mit der Idee konfrontierte, ein fünfjähriges Kind könnte aus einer Entfernung von mehreren Meilen einen tödlichen Autounfall verursacht haben. Er wusste, dass ein Kind niemals eine Sünde war. Dass Unfälle einfach passierten. Und Herzen aufhörten zu schlagen.
»Nein, keine weiteren blöden Fragen. Nur...« Trevor hielt inne. »Ich erwäge, mir eine Farm zu kaufen.«
Brents Gesichtszüge hellten auf. »Echt? In welcher Gegend?«
»Millarville.«
»Willst du da draußen Vieh züchten?«
»Ich überlege, mehrgleisig zu fahren. Sonnenblumen. Oder Strauße. Es heißt, dass man mit Straußen viel Geld machen kann.«
»Strauße?« Brent stieß einen glucksenden Laut aus. »Ich habe mir sagen lassen, dass die dich tottrampeln können. Sag mir Bescheid, wenn du es machst. Dann komm ich raus und helf dir.«
»Das wäre toll.« Trevor stellte sich vor, wie sie beide mit dem Lasso einen der riesigen, mit den Flügeln wild um sich schlagenden Vögel einfingen. »Du, ich mache mich besser auf den Weg. Ich will zu Hause sein, bevor es dunkel wird. Und bevor sie die Straße sperren.«
»Ja, ich muss auch Dampf machen. Verdammt, die brauchen in Vancouver ihre Alberta Steaks.«
Trevor umarmte seinen Bruder. »Lass von dir hören.«
»Du kannst mich über die Einsatzzentrale zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen.«
»Gib mir deine Telefonnummer von zu Hause.«
Brent wedelte mit der Hand durch das winzige Führerhaus. »Das hier ist mein Zuhause.«
Sie kletterten aus dem Sattelschlepper und schlurften nebeneinander über den vom Schnee bedeckten Asphalt, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben.
»Gut, es schneit nicht mehr«, meinte Brent. »Da müsste alles okay gehen bei dir.«
»Ja«, gab Trevor zur Antwort. »Na ja«, er streckte seine Hand aus, »pass auf dich auf.«
Doch Brent ergriff die Initiative und umarmte ihn. »Ruf mich bald an, Kleiner«, sagte er.
Trevor wandte sich ab und lief auf seinen Wagen zu, hatte aber noch keine drei Schritte getan, als Brent hinter ihm herrief. »Trev?«
Trevor drehte sich um. Brent stand da, die Hände in den Taschen seiner Jeans, die Hemdzipfel wehten unter seiner Jacke hervor, und er sah aus wie ein erwartungsvoller Hund. »Ich... ich frage mich gerade, ob du vielleicht ein paar Dollar übrig hättest. Ich bin etwas knapp bei Kasse. Ich gebe es dir Ende des Monats zurück.«
Trevor zog seine Brieftasche heraus und stopfte sämtliche Scheine, die er hatte — zwei Fünfziger und drei Zwanziger — in die Hand seines Bruders.
»Mach dir darüber keine Gedanken«, sagte er. »Jederzeit.«
Der Kojote umschlich den Hof der Farm. Seine Nasenlöcher blähten sich in dem warmen Wind, der von den Gebäuden herüberwehte und nach Mensch roch. Der Geruch zog ihn im gleichen Maße an wie er ihn abstieß. Oftmals beobachtete er die zweibeinigen Tiere aus der Ferne, sah sich neugierig an, was sie so alles aufführten, war dabei aber immer auf der Hut. Schwache Erinnerungen an etwas Sanftes, das seinen Rücken berührt hatte, vermischten sich mit der Abscheu davor, eingesperrt zu sein. Jenseits des menschlichen Geruchs hing der süße Duft von Beute, die Aussicht auf eine leichte Jagd, die ihn aus der Kälte der vom Wind verwehten Ebene hergelockt hatten.
Im Schutz der Dunkelheit grub er sich in dem Spalt unter dem Boden des Gebäudes entlang, aus dem er das lahme Gackern der trägen, sich so langsam bewegenden Vögel vernahm, nach denen er sich verzehrte. Seine Gelenke schmerzten vom Alter, und er wurde schnell müde; es war ein harter Winter gewesen.
Seine Versuche, sich eine Gefährtin zu sichern, waren erfolgreich, aber mühsam gewesen. Drei Wochen lang hatte er sich mit den anderen Männchen messen müssen, doch hatten die
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