Mehr als ein Sommer
gehörte. Sein Bruder hatte seine Maschinen immer geliebt: schnelle Autos, Motorräder, Trucks mit gigantischen Rädern, die höhergelegt waren. Er hatte den Großteil seiner Jugendjahre — wenn er nicht gerade die Schule schwänzte oder mit seinen Kumpels umherstrich — draußen auf dem Hinterhof verbracht, wo er mal an dem einen, mal an dem anderen Motor herumtüftelte.
Trevor öffnete die Tür und betrat den Coffeeshop. Er stampfte sich das Wetter von seinen Stiefeln und schüttelte Schneeflocken und Wasser von den Schultern seines Dufflecoats. Auf dem Schild an der Stirnseite stand Ganztägig Frühstück. In dem warmen Raum roch es nach Kaffee, Speck und Zigarettenrauch. Er suchte die Tischreihen nach Brent ab und spürte, wie er dabei nach altvertrautem Suchmuster vorging — großer Bruder ist gleichbedeutend mit Sicherheit. Er war nicht vorbereitet auf den Mann mit der ölverschmierten Kappe, dem karierten Hemd und der verwaschenen Jeansjacke, der sich in einer der Sitzecken am Fenster erhob und mit ausgestreckter Hand auf ihn zuschritt. Trevor konnte mit dem buschigen Bart fertig werden, mit dem Schmerbauch, der über dem Hosenbund hing, und mit den fleischigen Armen, doch hatte Brent größer zu sein und Feuer in den Augen zu haben. Dieser Mann hier sah müde und ausgelaugt aus und war einen halben Kopf kleiner als Trevor. Er erinnerte sich, dass er immer nach oben geschaut hatte, voller Bewunderung aufgeblickt hatte zu seinem großen Bruder.
»Trevor, alter Kumpel.« Der Mann schnappte sich Trevor und drückte ihn an die Brust, sodass es ihn fast zermalmte. »Scheiße noch mal, wie geht es dir?« Trevor verschluckte sich fast an dem Geruch von Tabak, ungewaschenen Haaren und abgestandenem Bier.
Er trat zurück und nahm den Mann in Augenschein. »Brent?«
»Du erkennst mich gar nicht mit dem Bart, wie?«, meinte Brent und lachte schallend. »Scheiße nein, den Wald hab ich seit dreizehn Jahren stehen. Ohne würde ich mich ganz nackt fühlen.«
»Jaa, der Bart«, erwiderte Trevor gedehnt. »Es liegt an dem Bart.« Er klopfte seinem Bruder auf die Schulter. »Toll, dich zu sehen.«
Trevor folgte Brent zurück zu der Sitzecke und aß Rührei mit Toast, während Brent schwarzen Kaffee trank und Kette rauchte. Der orkanartige Sturm draußen vor dem Fenster peitschte den Eisregen in Böen quer über den Parkplatz.
»Schöne Jacke«, sagte Brent. »Finanziell stehst du wohl ganz gut?«
»Denke schon, ich habe einen anständigen Job«, log Trevor und war auf einmal ganz verlegen, weil er dieses frisch gebügelte Cordhemd trug, dessen Markenzeichen auf der Brusttasche prangte, und wegen seines Dufflecoats, der zusammengeknüllt auf dem Sitz neben ihm lag. Er wünschte, er hätte seine Jeans angehabt. »Ich reise viel, was mir ziemlich auf die Nerven geht.«
Brent stieß einen grunzenden Laut aus. »Ich auch.«
Trevor begutachtete die Sattelschlepper, die aufgereiht auf dem Parkplatz standen. »Welcher davon ist deiner?«
»Der grüne.« Brent wies mit der Hand auf einen Sattelschlepper mit Anhänger, der am Außenrand des Parkplatzes stand. Seine Finger zitterten; jeden Moment drohte Asche von der Spitze seiner Zigarette auf den Tisch zu fallen.
»Kannst du bei diesem Wetter überhaupt fahren?«
»Das bisschen Schnee? Das ist doch gar nichts. Mach dir um mich mal keine Sorgen. Ich fahre diese Scheißstrecke seit acht Jahren von Saskatoon über Edmonton nach Vancouver. Ich könnte die fahren, wenn du mir einen Arm im Rücken festbinden würdest. Du bist derjenige, der Probleme kriegen könnte in der Memmenschüssel da.« Er zeigte mit seinem vom Nikotin verfärbten Finger auf Trevors Schräghecklimousine, die vor dem Haus stand. »Kann das Teil überhaupt Luft verdrängen?« Er lachte über seinen eigenen Witz, und Trevor entspannte sich bei der Hänselei.
»Hast du dir schon eine Tussi angelacht?«, fragte Brent schließlich und grinste, wobei sich der Zigarettenrauch wie ein Spitzenschleier über sein Gesicht legte. »Du hattest es nie so mit Weibern.«
Als Angela ihm den Umschlag mit Brents Telefonnummer gegeben hatte, hatte Trevor sich wegen ihres Gesichtsausdrucks gefragt, ob sie vielleicht mehr wusste, als sie sich anmerken ließ. Waren ihre Mandanten, die Rechtshilfe bekamen, vielleicht wie Brent?
»Ich bin mit einer ziemlich tollen Frau zusammen, derjenigen, die dich für mich ausfindig gemacht hat«, flunkerte er wieder. Er hatte Angela seit seinem Geburtstag nicht wiedergesehen.
»Richtig,
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