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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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Typisch, sie versucht immer, das Leben anderer Leute zu regeln.«
    Sie verschwand in der Vorratskammer und kam zurück mit einem Glas eingemachter Kirschen und einem Plastikkübel Eiscreme. Sie reichte Trevor das Einmachglas, damit er es öffnete. »Was meinst du? Sollten wir verkaufen?«
    Trevor quälte sich mit dem Verschluss ab. »Ich weiß es nicht.« Er atmete schwer vor lauter Anstrengung, und der Gummiring löste sich. »Nein«, entschied er und stemmte den luftdichten Deckel mit der Kante eines Messers hoch. Der Verschluss öffnete sich mit einem schmatzenden Geräusch, und ihm stieg der Duft von gezuckerten Kirschen in die Nase. »Aber könnt ihr das denn bewältigen?«
    »Nachbarn... bezahlte Hilfen... du? Mit der Aussaat geht es in ein paar Wochen los. Wir könnten die Hilfe gebrauchen.« Helen verpasste ihm einen Berg Eiscreme und einen Löffel. Er schüttete die prallen Früchte in seine Schale, und der angedickte Zuckersaft färbte die Vanillebälle blutrot. »Ich?«, fragte er, den Mund voller Kirschen und durch sie auch voller Sommer. »Was ist mit Angela? Sie spricht nicht mit mir.«
    »Ein Mädchen mag es, umworben zu werden.« Helen legte den Kopf zur Seite und sah ihren Ehemann an. »Richtig, Axel?«
    Axel nahm die Zeitung etwas herunter, sodass die Oberränder seiner Lesebrille zu sehen waren. »Ich bin zehn Meilen zu Fuß gelaufen, in beide Richtungen bergauf, bei Schnee, Hagel, Tornados, jeden Sonntag, um Helen den Hof zu machen. Ich glaube, sie hat mich nach einem Jahr erstmals ins Haus gebeten. Nach dem zweiten Jahr durfte ich sie zum ersten Mal küssen. Im dritten haben wir geheiratet.«
    Es war die längste Ansprache, die Trevor jemals von dem alten Mann gehört hatte.
    »Hör dir das an«, fiel Helen ihm ins Wort. »Erspar uns das.«
    Trevor verrührte das Eis zu einer rosafarbenen Suppe. Voller Hoffnung sah er zu den beiden auf. »Was soll ich tun?«
    »Einen Moment.« Helen verschwand wieder in ihrer Vorratskammer. Die beiden Männer hörten, wie Schubladen aufgezogen wurden und Küchengeräte klapperten; weitere raschelnde, dumpfe Geräusche drangen aus dem winzigen Raum in die Küche. Die Wanduhr schlug neunmal. Eine Katze schlenderte aus dem Schlafzimmer herein und schleckte aus ihrem Napf. Fünf Minuten später tauchte Helen mit einer braunen Papiertüte wieder auf und ließ sie vor Trevor auf die Tischplatte plumpsen.
    »Butterbrote mit Erdnussbutter und Käse«, erklärte sie.
    »Wie bitte?«
    »Du hast mich schon verstanden. Angelas Lieblingsessen, falls du das nicht weißt, was du aber wissen solltest«, blaffte Helen.
    »Was sollte ein Butterbrot denn ausrichten können?«
    »Du musst es in ihrem Beisein essen. Und so tun, als würde es dir schmecken. Wie du das heute Abend mit dem Lutefisk gemacht hast.«
    Trevor grinste schuldbewusst, dann runzelte er die Stirn. »Aber ich kapier das nicht«, sagte er, seine Unsicherheit wurde immer größer.
    »Seit ihrem fünften Lebensjahr behauptet sie steif und fest, dass jeder Mann, der Butterbrote mit Erdnussbutter und Käse mag, für sie der Richtige ist.« Helen gab ihm seine Jacke. »Geh los.«
    »Sie mag sie, solange sie frisch sind«, rief Axel ihm hinter der Zeitung nach.
    Trevor trat nach draußen auf die Auffahrt und knöpfte sich seine Jacke zu. Die Temperaturen waren gesunken, der Wind war schärfer geworden, und die Kälte fühlte sich stechend an auf seinen nackten Wangen, als er auf Bjornes Haus zutrottete. Unter seinen Füßen knirschte der trockene, rutschige Schnee. Über ihm jagten Wolken durch den Nachthimmel, und Sterne strahlten durch die vereinzelten Lücken in der Wolkendecke. Er steckte die Papiertüte mit dem Butterbrot in seine Jacke und grub die Hände tief in seine Taschen, um sie zu wärmen. Er kam gerade rechtzeitig um die Ecke der Scheune, um zu sehen wie Angela ins Führerhaus von Bjornes Truck stieg und auf dem nicht geräumten Pfad durch die Felder davonfuhr.

    Als der Pick-up mit Allradantrieb in der Ferne verschwand und Trevor nur noch die Rücklichter strahlen sah und sich fragte, wo Angela zu so später Stunde noch hinfuhr, wurde ihm bewusst, dass er selbst an einem Wendepunkt angelangt war. Seit dem Tod seiner Eltern hatte er sich von Umständen, die sich irgendwie ergeben hatten, und von der Entschlusskraft anderer Menschen durch sein Leben treiben lassen. Seine Entführung nach Regina, sein Umzug nach Calgary, und jetzt war er gerade von einer schwedischen Farmersfrau aus der Tür hinaus in die

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