Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
hinterfragt hat, sich eine Meinung in Fragen des Glaubens und der Welt bilden konnte und so innerlich frei Position bezieht, auch da, wo Mehrheiten anderer Meinung sind. Ist das Gewissen geschärft, sind Widerstände keine Anfechtung. Gleichzeitig ist es aber eine Freiheit, die nicht nur das Individuum im Blick hat, sondern auch das Ganze. Was die Gemeinde aufbaut, das ist schon bei Paulus das Kriterium für christliches Handeln: „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf“ (1. Kor 10,23).
Dieser Freiheitsgedanke hat heute eine ganz eigene Bedeutung. Und er ist nicht auf Evangelische beschränkt, sondern eine ökumenische Gemeinsamkeit. Viele Menschen sind unfrei, weil sie danach drängen, irgendwie vorzukommen. Beachtet, ja gesehen werden, darum geht es. Ob ein tieferer Grund der ist, dass allzu viele den Eindruck haben, überhaupt nicht beachtet zu werden? Sehen wir nicht hin? Das ist doch gerade für Christinnen und Christen eine Frage: Sind wir aufmerksam genug? Da ist die alleinerziehende Mutter offenbar völlig überfordert. Da scheint der alte Mann gar nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen. Da ist das junge Mädchen offenbar ganz und gar sich selbst überlassen. Da ist der Mitbewohner seit Tagen nicht mehr aufgetaucht. Empathie ist gefragt, Zuwendung, Wahrnehmen. Stattdessen hetzen wir durch die Gegend und merken nicht, wie Menschen um uns herum empfinden, abstumpfen, verzweifeln, vereinsamen. Hinschauen ist gefragt.
Sinnsuche
Es gibt offenbar eine verbreitete Angst, das Leben könne keinen Sinn haben. Da gilt nicht länger der Satz, mit dem der Philosoph René Descartes die Aufklärung einleitete: „Ich denke, also bin ich.“ Sondern: „Ich bin im Fernsehen, also bin ich.“ Und dafür setzen sich Menschen sogar Demütigungen aus, die vielleicht ihre Bekanntheit steigern im Sinne von „bekannt und belächelt“, aber kaum Ruhm im positiven Sinne von „geschätzt und gerühmt“. Daran hat das Internetzeitalter einen gewichtigen Anteil. Jochen Mai schreibt: „Aus dem Bonmot ‚Es geht nicht darum, was du weißt, sondern wen du kennst‘ hat das Web längst eine neue Ableitung geformt. Sie lautet: ‚ Es geht nicht darum, wen du kennst, sondern darum, wer dich kennt.‘ “ 19
Ich denke an den vermeintlichen Ruhm der vermeintlichen DSDS-Stars. Mehr als 35000 Menschen haben sich in der jüngsten Staffel beworben! Für die meisten scheint es eher unklug zu sein, sich derart zu präsentieren und so der Lächerlichkeit preiszugeben. Ähnliches gilt für die sogenannten Dschungelcamps. Dass ein Mensch meint, durch Kakerlakenschlucken, Nacktheit oder ein sich Bewerfenlassen mit Fäkalien zu Ruhm zu gelangen, hat mit Klug-Sein nichts, aber auch gar nichts zu tun. Ruhm in der Mediengesellschaft ist also ganz offensichtlich ein zweischneidiges Schwert, eine hoch ambivalente Sache, der ein Mensch sich besser entziehen sollte. Das wäre in der Tat klug, denn Freiheit oder Lebenssinn findet er so ganz offensichtlich nicht.
Das hebräische Verb für „Gott lobsingen“ heißt hallel. Davon leitet sich der Begriff „Halleluja“ ab. Und das ist wohl die zentrale Aussage der Bibel: Es geht darum, Gott zu rühmen! Für jemanden, der mit Glauben wenig anfangen kann, ist das sicher schwer zu verstehen. Vielleicht lässt es sich so erklären: Wenn ich auf Gott schaue, werde ich selbst weniger wichtig. Es lenkt meinen Blick weg von der ständigen Konzentration auf mich selbst. Ich freue mich daran, dass Gott mir das Leben schenkt, in dieser Welt erfahrbar ist und meinem Leben Sinn gibt, der mich auch durch das Sterben hindurchtragen kann. Das befreit von diesem ewigen Auf-mich-selbst-Bezogen-sein. Und es kann auch meinen Blick auf die Gesellschaft verändern. Ich blicke anders hin, habe die Kontrastgesellschaft der Bergpredigt im Sinn, die ganz andere Prioritäten setzt als Ruhm und Glamour.
Unser Leben, das Handeln der Kirche, prachtvolle Gotteshäuser – das alles dient nicht dem Ruhm oder Ansehen der Menschen, der Institution, des Architekten oder Geldgebers, sondern: soli deo gloria , allein der Ehre und dem Ruhm Gottes. Wir finden Sinn, indem wir Gott rühmen! Das schenkt auch Freiheit: Ich muss den Sinn nicht in mir, meinem Erfolg oder Ruhm suchen, sondern finde ihn darin, dass ich einstimmen kann in das Lob Gottes, der mein Leben geschaffen hat.
Dazu passt, dass Jesus nicht gerade eine Erfolgstruppe um sich geschart hat. Bei einer
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