Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Händen“ , heißt es in Psalm 31. Das meint doch: Aus Gottes Hand erhalte ich Lebenszeit geschenkt. Wie lang sie währen wird, weiß ich nicht. Aber ich will sie nutzen in Gottvertrauen und für die Gemeinschaft. Auch wenn ich an Gottes Geboten ebenso wie an meinen eigenen Ansprüchen so manches Mal scheitern mag, geht doch dieser Sinn nicht verloren. Ich bin frei zur Gestaltung und frei zum Neuanfang. Am Ende möchte ich diese Lebenszeit zurück in Gottes Hand legen können mit dem Gedanken: Ich habe die mir geschenkte Freiheit so gut und verantwortlich wahrgenommen, wie es mir möglich war.
Manchmal entsteht der Eindruck, es würde eine Art Dauererschöpfung um sich greifen. Alle Menschen scheinen permanent beschäftigt, es ist schwer, Zeit füreinander zu finden – glücklich wirken wenige. Viele sind offenbar erdrückt von Erwartungen: Beruflich wird Höchstleistung erwartet, Mails türmen sich stündlich und sind nur schwer zu ignorieren, die Familie braucht Zeit, und Zeit ist knapp, sogar für sich selbst. Das kenne ich auch selbst sehr gut: Die SMS wartet auf Antwort, am Text für die Predigt sollte ich intensiver arbeiten, meine Mutter müsste ich längst besucht haben, und meine Freundin wartet auf einen Anruf. Dazu kommt, dass ich gerne mehr lesen würde, mir natürlich bewusst bin, dass die Seele auch mal baumeln muss, und ich möchte öfter joggen gehen. Gleichzeitig gibt es die Alltagsnormalität: Die Blumen wollen gegossen sein, der Kühlschrank ist schon wieder leer, und ich müsste dringend meine Wohnung putzen, ganz abgesehen davon, dass ich beim letzten Umzug die Bücher einfach so ins Regal gesteckt habe und nichts mehr finde, weil sie noch immer unsortiert sind. Nicht zuletzt muss ich aufpassen, dass ich keinen Geburtstag verpasse, ich möchte eigentlich sinnvoll schreiben, und auch das Tagebuchführen hatte ich mir doch eigentlich fest vorgenommen. Wie habe ich das alles nur bewältigt, als ich noch Schulkinder im Haus hatte?
Mit einer Freundin sprach ich neulich darüber, wie geregelt die Sonntage in unserer Kindheit waren. Nach dem Frühstück ging es in die Kirche, nach dem Mittagessen gab es einen Spaziergang und nachmittags wurde Kaffee getrunken. Das begann um 15 Uhr, der Kuchen wurde am Samstag gebacken; die eine oder andere Tante kam vorbei – ohne vorherige Verabredung! Wir saßen einfach zusammen. Keiner sprang auf, um schnell mal zu telefonieren, eine SMS zu schicken oder Mails abzurufen. Was haben wir nur mit all der uns zur Verfügung stehenden Zeit gemacht? Niemand hatte das Gefühl, sie wäre vertan. Es wurden meist keine tiefgründigen Gespräche geführt; es war schlicht Kaffeezeit. Irgendwie war das auch Schonzeit, wie so manche Rituale sie ermöglicht haben: keine Wäsche waschen am Sonntag oder „zwischen den Jahren“, kein Kino in der Passionszeit, Schlafen gehen um 22 Uhr, denn „der Schlaf vor Mitternacht ist der beste“, wie meine Mutter uns immer wieder gesagt hat.
Heute würde viele in einer solchen Situation Unruhe befallen. Wir verabreden uns von 15 bis 16 Uhr auf einen Kaffee und tragen das Tage, ja, Wochen vorher in den Terminkalender ein. Auch in den Restaurants bimmelt und schnurrt während des Essens oft ein Handy nach dem anderen. Immer muss etwas offenbar sofort erledigt oder beantwortet werden. Die Waschmaschine läuft, der Trockner wird bestückt, wann immer es nötig scheint. Während Menschen früher einen Brief geschrieben haben, ihn zum Briefkasten brachten und dann in Ruhe auf eine Antwort warteten, bekomme ich heute nach zwei Stunden eine empörte Mail, warum um Himmels willen ich noch nicht auf die Anfrage reagiert habe. Das Lied von Tim Bendzko, „Muss nur noch kurz die Welt retten“, bringt das wunderbar auf den Punkt.
Balance suchen
Sosehr wir bei dem Lied auch lächeln mögen, oft ist solches Leben längst Realität. Es gibt Menschen, die für ihren Beruf, ihre Sache den ganzen Tag engagiert sind – völlig absorbiert von dem, was sie tun. Viele sind so im Schaffens- oder Aktivitätsrausch, dass sie nicht mehr wissen, wofür sie eigentlich Tag und Nacht arbeiten. Sie merken gar nicht, wie die eigene Lebenszeit ihnen durch die Hände rinnt, sie die wichtigsten Dinge im Leben, die sich eben nicht kaufen lassen, verlieren: Beziehungen, Liebe, Zuwendung, Vertrauen. Zeit darf nicht mehr „vertrödelt“ werden – ein altmodischer Begriff, ich weiß! Doch so verlieren wir den Rhythmus zwischen Schaffen und Ruhen. Genau diesen Rhythmus
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