Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
viele es tun, können kleine Schritte viel verändern.
Das ist auch auf weltweiter Ebene möglich. Die sogenannten Millenniumsziele, die die Vereinten Nationen für 2015 gesetzt haben, wollen Armut und Hunger bekämpfen, Kinder- und Müttersterblichkeit senken, Gleichstellung von Frauen erreichen und Krankheiten wie HIV/AIDS bekämpfen. Kleine Initiativen von unten und große politische Bewegungen können einander ergänzen. Und auch wenn es immer wieder Rückschläge und Enttäuschungen gibt, Erfolge sind auch zu verzeichnen. So sind nach einem Bericht der Weltbank zwei Millenniumsziele der Vereinten Nationen vor der Frist von 2015 erreicht worden. Die Zahl der Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, wurde halbiert und 89 von hundert Menschen haben inzwischen Zugang zu sauberem Trinkwasser 50 . Gewiss, noch immer hungern zu viele und haben 11 Prozent der Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Aber es ist ein Erfolg!
Kurzum: Die Gerechtigkeitsfrage ist hochbrisant, in der Bibel wie in unserem Alltag, in der Welt, im Kleinen wie im Großen. Sie lebt täglich sozusagen in der Nachbarschaft und liegt mit der Tageszeitung auf dem Tisch. Wir sollten diese Zeitung, wie es der Theologe Karl Barth einmal formuliert hat, in der einen Hand halten und die Bibel in der anderen Hand. In solcher Spannung können wir uns fragen, was das biblische Gerechtigkeitsgebot für uns heute bedeutet. Niemand von uns kann die Welt aus den Angeln heben, alles verändern, Gerechtigkeit weltweit durchsetzen! Aber wir sind auch nicht völlig gelähmt und handlungsunfähig! Ich bin überzeugt, wir können die Beziehungen gestalten. Und wir können sehr gut mit Grenzen leben, wenn das unsere Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen wieder ins Gleichgewicht bringt.
Ja und Amen sagen heißt: Alles bleibt, wie es ist. Ich kann gar nichts tun, die Welt ist nun einmal so. Damit kann und will ich mich nicht abfinden. Die biblischen Maßstäbe geben uns Mut zum Handeln für kleine Schritte – angefangen von der Begegnung mit den Armen im eigenen Land, der Sensibilität für das Kind, das außen vor bleibt, und der Spende für „Brot für die Welt“. Aber auch dazu, Teil von größeren Bewegungen zu werden – von „Attac“ bis „Occupy“, von Initiativen von „anderswachsen“ bis „Oikokredit“, von Partnerschaften mit anderen Kirchengemeinden bis hin zur Diskussion über die Millenniumsziele.
Vor allem geht es aber um eine Haltung: Hier wir im Wohlstand, dort die Armen im Elend, mit denen wir nichts zu tun haben. Das ist der allererste Verrat an der biblischen Überzeugung: Wir stehen unauflöslich in einer Beziehung zueinander! Wer das akzeptiert, kann sich nicht wegducken vor den wahrhaft komplexen Fragen der Gerechtigkeit in der Welt. Es gibt definitiv keine einfachen Lösungen. Aber schon der Frage auszuweichen wäre ein Ausweichen vor den Herausforderungen, vor die uns der christliche Glaube stellt.
Bisher hat keine meiner Predigten so viel Resonanz hervorgerufen wie die im ZDF-Fernsehgottesdienst aus der Frauenkirche in Dresden am Neujahrstag 2010. Dabei erregte nicht die ganze Predigt die Gemüter, sondern nur ein kurzer Abschnitt. „Nichts ist gut in Afghanistan (…)“, beginnt dieser 51 . Die Predigt insgesamt haben offenbar nur wenige im Fernsehgottesdienst gehört oder später nachgelesen. Allein an diesem Abschnitt, im Predigtmanuskript 15 Zeilen lang, nahmen viele Anstoß. Eine Zeitung startete mit diesem einen Satz offensiv eine Umfrage: „Was halten Sie von dem, was die Bischöfin der hannoverschen Landeskirche und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland da sagt?“ Es hagelte heftige und teilweise hämische Reaktionen: Ich würde die deutschen Soldaten in Afghanistan im Stich lassen, ich sei naiv, anmaßend, bis hin zu der Aufforderung, ich solle mich doch mit den Taliban in ein Zelt setzen und bei Kerzenlicht beten, so der Wehrbeauftragte der Bundesregierung Reinhold Robbe.
Mich erreichte allerdings auch eine Welle von zustimmenden und ermutigenden Briefen und Mails, die mir geholfen hat, meine Position nicht als absurd anzusehen, sondern mich getragen zu wissen von vielen Menschen, die gleicher Überzeugung sind. Aber die Heftigkeit der kritischen Stimmen hat mich doch befremdet. Wohlgemerkt: Die rechtliche Legitimität des deutschen Einsatzes steht nicht infrage; der Bundestag hat ihn 2001 mit Mehrheit beschlossen. Aber wie kann jemand davon überrascht sein,
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