Mehr als nur ein halbes Leben

Titel: Mehr als nur ein halbes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova

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und zu irgendeinem wichtigeren Termin musste. Aber wahrscheinlicher ist, dass er nur seinen Stuhl ein kleines Stück zurückgeschoben hat oder dass Carsons Stift, mit dem er auf den Tisch klopft, meine Aufmerksamkeit zu sehr auf die rechte Seite des Raums lenkt oder Gott weiß was und dass er noch immer hier sitzt, im schwarzen Loch meines Neglects.
    Wem will ich hier eigentlich etwas vormachen? Hier geht es um mehr als ein deutliches Humpeln. Meine Mutter musste mich anziehen und herfahren, meine linke Hand steckt zwischen meinen Knien, ich habe Angst, vor irgendjemandem eine Tasse Kaffee zu trinken, ich bin erschöpft von dem langen Marsch von meinem Büro zu diesem Konferenzraum, und ich habe keine Ahnung, wo der geschäftsführende Partner ist. Egal, zu wie viel Prozent ich bereit bin, es ist nicht genug. Ich denke an die Arbeit, die ich früher jeden Tag bewältigt habe, die Arbeit, die zu bewältigen von mir erwartet wird. Beim aktuellen Stand meiner Genesung und meiner Fähigkeiten hat der Tag dafür einfach nicht genug Stunden. Und sosehr ich auch wieder loslegen will, bin ich doch nicht bereit, die Qualität der Arbeit, die die Firma benötigt, oder meinen Ruf aufs Spiel zu setzen, um sie abzuliefern.
    »Ich möchte wirklich gern wieder anfangen, aber um allen hier Anwesenden gegenüber fair zu sein, muss ich sagen, dass ich noch nicht so weit bin, wieder Vollzeit zu arbeiten. Ich kann alle Arbeiten erledigen, aber ich brauche immer noch für alles ein bisschen länger.«
    »Wie wär’s mit Teilzeit?«, fragt Richard.
    »Ist das wirklich eine Option?«, frage ich zurück.
    Berkley hat keine Teilzeitbeschäftigten. Du arbeitest hier, und du gehörst ihnen. Nicht bloß zum Teil. Sondern ganz.
    »Ja. Wenn wir Sie richtig verstanden haben, werden Sie noch etwas Zeit benötigen, bevor Sie wieder mit voller Kraft arbeiten können. Aber es ist effizienter und effektiver für uns, Sie wieder ins Boot zu holen – selbst in Teilzeit –, als jemand Neues zu finden, anzuwerben und einzuarbeiten.«
    Ich stelle mir die Kosten-Nutzen-Rechnung vor, die einer unserer Analysten erstellt hat. Irgendwie müssen meine Zahlen – selbst in Teilzeit – attraktiver ausgesehen haben als die Zahlen für einen neuen Vizepräsidenten der Personalabteilung, zumindest für das nächste Quartal. Ich frage mich, welchen Faktor sie zugrunde gelegt haben, um den linksseitigen Neglect zu berücksichtigen.
    »Nur damit ich Sie recht verstehe, Teilzeit bedeutet wie viele Wochenstunden?«
    »Vierzig«, sagt Richard.
    Ich wusste, wie die Antwort lauten würde, schon bevor ich die Frage gestellt habe. In den meisten Unternehmen sind vierzig Stunden Vollzeit, und Teilzeit wären zwanzig. Ich weiß, dass ich zwanzig schaffen könnte. Aber das hier ist Berkley. Vermutlich würde ich die Vollzeitstunden benötigen, um alles zu erledigen, was von einer Teilzeitkraft erwartet wird, aber vermutlich könnte ich es schaffen. Achtzig Stunden Zeit und Mühe für Arbeit und Gehalt im Wert von vierzig Stunden. Bob und ich brauchen mein Einkommen wirklich, wenigstens einen Teil davon.
    »Und wann soll ich wieder anfangen?«
    »Idealerweise sofort.«
    Ich hatte gehofft, er würde sagen, nächsten Monat, um noch etwas Zeit für meine Genesung zu gewinnen. Aber aufgrund der Dringlichkeit der Besprechung und der Anzahl hoher Tiere in diesem Raum hatte ich bereits vermutet, dass sie ab sofort jemanden brauchen, der auf diesem Posten die Zügel in die Hand nimmt. Ich denke an all die Bälle, mit denen ich früher jeden Tag jongliert habe – teure, zerbrechliche, schwere, unersetzliche Bälle – und die ich kaum alle in der Luft halten konnte. Ich habe jede einzelne adrenalingeschwängerte Minute davon geliebt. Und jetzt bin ich hier, wieder bei Berkley, und Richard hat einen Armvoll Arbeit für mich. Meine rechte Hand ist bereit, sie aufzufangen, aber meine linke Hand steckt zwischen meinen Knien.
    »Nun, was halten Sie davon?«, fragt Richard.
    Hier bin ich, wieder bei Berkley, und Richard hat die einladenden Worte ausgesprochen, um die ich seit vier Monaten gebetet habe. Ich stehe an der Schwelle zu meinem alten Leben. Ich muss nur noch über sie gehen, um es zurückzubekommen.

ZWEIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
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    »Ich werde es ablehnen.«
    Bobs strahlende Miene verzieht sich zu fassungslosem Staunen, als hätte ich ihm in einem Atemzug erzählt, wir hätten im Lotto gewonnen, und im nächsten, ich hätte den Gewinnschein der obdachlosen Frau an der