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Mehr als nur ein halbes Leben

Mehr als nur ein halbes Leben

Titel: Mehr als nur ein halbes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Genova
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dass es überhaupt besser wird. Was, wenn das hier nie mehr weggeht?«, frage ich, verblüfft, dass ich dieser Frage eine Stimme außerhalb meines fleecebedeckten Kopfes gegeben habe. Ich weiß nicht, was für eine Antwort darauf ich von Bob erwartet habe, aber auf einmal breche ich in Tränen aus – voller Angst, dass eine offene und ehrliche Antwort den Lauf unser beider Leben für immer verändern könnte.
    »Lass mich zu dir«, sagt er.
    Er zwängt sich auf den schmalen Platz zwischen mir und dem Schutzgitter und legt sich auf die Seite, mir zugewandt. Es tut gut, ihn neben mir zu spüren.
    »Ist es denn möglich, dass dein Gehirn heilen und der Neglect verschwinden wird?«, fragt er.
    »Ja, das ist möglich«, sage ich, noch immer unter Tränen. »Aber es ist auch möglich, dass …«
    »Dann wirst du gesund werden. Wenn etwas möglich ist, Sarah, egal was, dann habe ich völliges Vertrauen in dich, dass du das schaffst.«
    Ich sollte dem Schicksal für Bob danken, und ich sollte ihm sagen, dass ich ihn dafür liebe, dass er mir dieses bedingungslose Vertrauen entgegenbringt, aber stattdessen beschließe ich, mich mit ihm anzulegen.
    »Ja, aber ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Hier geht es nicht darum, eine Eins zu bekommen oder den Job, den ich will, oder einen Termin einzuhalten. Hier ist es nicht so, dass ich nur zehn Dinge tun muss, und dann wird mein Gehirn wieder normal sein.«
    Je mehr Therapiestunden ich habe, desto mehr begreife ich, dass das hier keine mathematische Gleichung ist. Niemand will mir irgendwelche Garantien geben. Ich könnte gesund werden oder auch nicht. Die Therapie könnte helfen oder auch nicht. Ich arbeite, so hart ich kann, wie ich immer an allem gearbeitet habe, was ich je getan habe, und dennoch ist das vielleicht auch nicht effektiver, als einfach nur hier zu liegen und zu beten. Ich habe beides getan.
    »Ich weiß. Ich weiß, dass vieles von alldem nicht in deiner Macht liegt. Aber manches schon. Mach die Therapie. Sei positiv. Nutz diesen Kampfgeist, den ich so an dir liebe. Denk mal darüber nach. Manche Leute erholen sich von dieser Sache. Willst du dich von ihnen etwa schlagen lassen? Niemals.«
    Okay, jetzt hat er meinen Nerv getroffen. Ich wische mir die Augen. Das Ziel ist nicht, gesund zu werden. Das Ziel ist, zu gewinnen! Ich weiß, wie das geht. Bob und ich sind aus demselben superehrgeizigen Stoff gemacht; ich könnte schwören, jedem von uns wurden ein paar Fäden aus einem von Gottes Sporttrikots direkt in die DNA gewebt. In nahezu allen Lebensbereichen lieben wir jede Gelegenheit zum Wettstreit. Zu unserem ersten richtigen Flirt gehörte eine Wette darüber, wer die bessere Note in Finanzwirtschaft bekommen würde (das war er, und danach bat er mich um ein Date). Wir konkurrierten darum, wer nach der Business School den bestbezahlten Job bekommen würde (da gewann ich). Als Charlie und Lucy beide noch auf Kindersitzen saßen, haben wir sie immer um die Wette angeschnallt, um zu sehen, wer schneller ist. Wenn wir Fangball spielen, werfen wir den Ball nicht einfach hin und her. Wir zählen die Punkte. Und das Einzige, was noch besser ist, als mit Bob über die Piste zur Talstation des Mount Cortland zu fahren, ist ein Wettrennen mit ihm dorthin.
    Und was bekommt der Sieger? Der Sieger siegt. Das sind genau die aufmunternden Worte, die ich gebraucht habe.
    »Ich glaube an dich, Sarah. Du wirst gesund werden, und du wirst nach Hause kommen, und du wirst wieder zur Arbeit gehen, und wir werden in diesem Winter Ski fahren.«
    Er klingt wie der Ansager der Liste in meinem Kopf, nur viel freundlicher.
    »Danke, Bob. Ich werde das schaffen. Ich werde diese Sache besiegen.«
    »Na bitte.«
    »Danke. Das habe ich gebraucht.«
    »Gern geschehen.« Er küsst mich.
    »Ich brauche dich«, sage ich.
    »Ich brauche dich auch«, erwidert er und küsst mich noch einmal.
    Während wir zusammen in meinem Krankenhausbett liegen und darauf warten, dass die Kinder mit ihren Gutenacht-Donuts zurückkommen, bin ich rundherum optimistisch gestimmt. Ich werde diese Sache auf jeden Fall besiegen. Aber als ich versuche, mir »diese Sache«, gegen die ich hier ankämpfe, vor Augen zu führen – die verletzten Neuronen, die Entzündung, das Fehlen von Links, die anderen Leute mit einem linksseitigen Neglect, die um denselben Platz auf dem Siegerpodest konkurrieren –, ist das einzige Bild, das ich mit Klarheit sehe, das von mir.

VIERZEHNTES KAPITEL
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    Es ist die erste

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