Mehr als nur ein halbes Leben
Geruch ihres Lippenstifts (plus oder minus Marlboro Lights und Fruchtkaugummi), der auf meinem Mund haften blieb, wenn sie mich küsste.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie aufgehört hat, sich zu schminken oder irgendetwas mit ihren Haaren zu machen, nachdem Nate ertrunken war. Ich weiß, dass es danach kein Lachen mit geblähten Nasenlöchern und keine komisch riechenden Küsse mehr gab. Aber ich habe keine konkrete Erinnerung daran, wie sie nach 1982 aussah oder wie sie sich verändert hat. Wann hat sie angefangen, Krähenfüße zu bekommen? Und wie bekommt jemand, der nie lacht oder aus dem Haus geht, überhaupt Krähenfüße? Wann hat ihr Haar angefangen, grau zu werden, und wann hat sie es auf Kinnlänge abgeschnitten? Wann hat sie angefangen, eine Brille zu tragen? Wann hat sie das Rauchen aufgegeben? Wann hat sie wieder angefangen, Lippenstift zu tragen?
Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass sie irgendwelche konkreten Erinnerungen an mich hat oder daran, wie ich nach 1982 ausgesehen oder mich verändert habe. Sie hat keine einzige der unzähligen eintönigen Minuten des letzten Monats damit verbracht, nostalgische Geschichten aus meiner Kindheit mit mir zu teilen. Weil sie nach 1982 meine Kindheit größtenteils nicht mehr mitbekommen hat.
Nachdem sie ihren einzigen Sohn begraben hatte, vergrub sich meine Mutter in ihrem Schlafzimmer, und mein Vater vergrub sich in Bauarbeiten, wenn er nicht auf der Feuerwache war. Während meine Mutter nichts anderes tat, als den Verlust von Nate zu betrauern, empfand mein Vater überhaupt nichts. Schon vor Nates Tod stoisch und emotional distanziert, war er jetzt emotional endgültig verschwunden. Aber zumindest physisch kehrte mein Vater schließlich wieder in seine Rolle als mein Elternteil zurück. Er mähte den Rasen und brachte den Müll weg, er kümmerte sich um die Wäsche und die Einkäufe, er bezahlte die Rechnungen und die Gebühren für meine außerschulischen Aktivitäten. Ich hatte immer Essen auf dem Teller und ein Dach über dem Kopf. Aber von meiner Mutter kehrte kein Teil je zurück. Und es war immer meine Mutter, die ich am meisten brauchte.
Sie bemerkte es nicht, wenn ich mit schmutzigen Kleidern oder Kleidern, die zwei Nummern zu klein waren, zur Schule ging. Sie kam nicht zu meinen Fußballspielen oder Elternabenden. Sie bot mir weder Halt noch Trost in den eineinhalb Jahren, in denen ich so für Bobby Hoffman schwärmte, dass ich mich selbst fast dabei verlor. Sie erzählte mir nichts über sicheren Sex oder guten Sex. Sie vergaß meinen Geburtstag. Sie lobte mich nicht für meine erstklassigen Zeugnisse und feierte nicht meine Zulassung für Middlebury oder Harvard. Sie zog es vor, allein zu sein, nachdem mein Vater gestorben war, als ich zwanzig war, und sie hieß Bob nicht willkommen in dem, was von unserer erbärmlichen kleinen Familie noch übrig war, als ich achtundzwanzig war.
Ich nehme an, ich sah Nate ähnlich genug, um eine ständig quälende Erinnerung an den untröstlichen Schmerz zu sein. Ich nehme an, ich kann – vor allem jetzt, da ich selbst Kinder habe – das Entsetzen verstehen, das einen lähmt, wenn man ein Kind verliert. Aber sie hatte nicht nur ein Kind. Sie hatte zwei. Und ich war nicht gestorben.
Meine Kindheit nach Nates Tod war nicht leicht, aber sie hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin: stark, ausgesprochen unabhängig, erfolgsorientiert und fest entschlossen, etwas zu bewegen. Ich hatte es geschafft, meine Vergangenheit hinter mir zu lassen, aber jetzt sitzt meine Vergangenheit auf dem Stuhl mir gegenüber und sagt mir, dass sie noch länger bleiben wird. Sie spürt meinen musternden Blick. Ein nervöses Lächeln umspielt ihre roten Lippen, und ich will es ihr am liebsten aus dem Gesicht schlagen.
»Nein, es reicht. Ich fahre nach Hause, und du fährst auch nach Hause. Jeder fährt nach Hause.«
»Nein, ich bleibe. Ich bleibe, um dir zu helfen.«
»Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich brauche die Hilfe von niemandem.«
Martha steht jetzt vor mir, ein Tablett mit Mittagessen in den Händen, die Augenbrauen hochgezogen.
»Wenn ich irgendetwas brauche, werde ich Bob fragen.«
»Bob hat mich gebeten, zu bleiben und ihm zu helfen, dich zu pflegen«, entgegnet meine Mutter.
Ich starre sie an, sprachlos, während ein entfesselter Tobsuchtsanfall in meiner Brust mit den Fäusten trommelt. Martha und Heidi haben sich heute Morgen ohne mich zusammengesetzt und beschlossen, dass ich in drei Tagen nach
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