Mehr als nur ein halbes Leben
umzufüllen. Mein rechter Arm ist angewinkelt und steckt bewegungsunfähig in einer Schlinge vor meiner Brust. Die Bewegungsinduktionstherapie soll mir helfen, dem Drang zu widerstehen, meine rechte Hand zu benutzen. Das Ausschalten der Konkurrenz soll mir helfen, mich leichter für den Gebrauch der linken Hand zu entscheiden. Aber die meiste Zeit komme ich mir nur vor wie eine Frau ohne Arme.
Schon bevor ich mich dieser Zwangsjacken-Therapie stellen musste, war ich aufgelöst und völlig demoralisiert. Nach irgendeiner Besprechung, die mein Therapeuten-Team heute Morgen ohne mich abgehalten hat, wurde entschieden, dass ich in drei Tagen nach Hause fahren werde. Um genau zu sein, wurde es nicht so sehr von ihnen entschieden als vielmehr feierlich abgesegnet. Mein Versicherungsträger hat schon lange vor meinem Unfall mittels irgendeiner Kosten-Nutzen-Ergebnisanalyse – nicht unähnlich den Analysen, die viele der Berkley-Berater in diesem Augenblick für verschiedene Unternehmen in Excel-Tabellen durchführen – ausgerechnet, dass ich in drei Tagen nach Hause fahren werde. Bestimmt wurde das durch irgendeinen Abrechnungscode und den Code für meinen medizinischen Zustand, wobei meine vielleicht oder vielleicht auch nicht bestehenden Fortschritte nur am Rande berücksichtigt wurden. Vielleicht wurde es auch die ganze Zeit nur durch den Schnittpunkt der Venus rückläufig im Skorpion bestimmt. Aber egal, wie die gesichtslose bürokratische oder mystische Begründung auch lauten mag, das ist mein Schicksal. Ich fahre in drei Tagen nach Hause.
Während mir mein Therapeuten-Team diese gute Neuigkeit mit übertrieben fröhlichen Stimmen und dem aufgesetzten Lächeln einer Laien-Schauspielgruppe im Gesicht mitteilte, saß ich schweigend da, entgeistert, ausdruckslos. Hier bin ich, sitze in einem Rehabett in einer Rehaklinik und arbeite jeden Tag hart in meinen Rehasitzungen, während ich die ganze Zeit denke, dass ich hier sein werde, bis ich fertig mit der Reha bin. Doch wie sich herausstellt, war das nie der Plan. Und der Witz geht auf meine Kosten.
Folgendes habe ich heute Morgen gelernt: In der Welt der Rehakliniken ist es so, dass der Patient bleibt, wenn sich sein Zustand dramatisch verschlechtert. Dann denken alle: Wir müssen ihn retten . Aber auch wenn der Patient deutliche Fortschritte auf dem Weg der Genesung macht, bleibt er. Dann hoffen alle: Wir können ihn immer noch retten . Eine schnelle Bewegung – egal, ob bergauf oder bergab – bedeutet: mehr Reha. Aber Stillstand – mit meilenweit nichts als flachem Gelände am Horizont – bedeutet, dass der Patient nach Hause fährt. Dann sind sich alle einig: Verschwende nicht deine Zeit. Er kann nicht gerettet werden . Wenn die Genesung stagniert, zahlt die Versicherung die Rechnungen nicht mehr, die im Übrigen ungefähr so hoch sind wie der Hügel, den ich zu erklimmen versuche.
Ich sollte begeistert sein. Ich fahre in drei Tagen nach Hause. Rechtzeitig zu meinem Hochzeitstag und zu Weihnachten. Ich fahre nach Hause. Ich habe um diesen Tag gebetet. Ich sollte triumphieren. Aber stattdessen ziehen sich in meinem Magen Knoten ängstlicher Zweifel zusammen, und ich würde mich am liebsten übergeben. Sie sind hier fertig mit mir. Meine Versicherung ist zu dem Schluss gekommen, dass meine Rehabemühungen keine sinnvolle Investition mehr sind. Sie kann nicht gerettet werden .
Das kann nicht sein. Es muss noch mehr für mich drin sein. Ich kann allein laufen, aber nur mit Mühe und nur, wenn ich den Stock benutze, den man mir gegeben hat. Der Stock, den man mir gegeben hat, ist einer dieser Gehstöcke aus rostfreiem Stahl, wie sie in Krankenhäusern üblich sind, mit vier Füßen mit Gummikappen am unteren Ende. Mein Gehstock trägt Crocs, mein Gott. Das ist nicht cool. Mein vierfüßiger Stock ist alles andere als dezent. Er ist ein Stock, der schreit: Seht her, ich habe eine ernsthafte Gehirnverletzung! Ich hasse ihn, und ich will lernen, ohne ihn zu laufen.
Noch immer kann ich den linken Teil einer Seite nicht lesen, ohne dass ich ständig verbessert, ermuntert und erinnert werden muss, mein l-förmiges rotes Lesezeichen zu benutzen. Geh nach links, finde den linken Rand, geh weiter, bis du das rote Lesezeichen findest. Ich kann mich immer noch nicht ohne fremde Hilfe anziehen, brauche Hilfe beim Zähneputzen und beim Duschen. Wie soll ich mich um meine Kinder und mein Zuhause kümmern? Wie soll ich meinen Job machen? Ohne professionelle
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