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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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Tschüss, Mädels«, sage ich und ergreife die Flucht, wobei ich dankenswerterweise Brian und seinen Freunden Max und Jamie über den Weg laufe, die oben an der Rolltreppe abhängen.
    »So ein Scheiß!«, sage ich und lehne mich ans Geländer. »Ashley Jenkins hat gerade meine Mum im
Topshop
überfallen.«
    Die Jungs pfeifen anerkennend, als Ashleys Name fällt, und Brian fragt: »Waren ihre Freundinnen auch dabei? Emily und die anderen?«
    »Allerdings. Die ganze Meute.«
    »Du hättest dir eine aussuchen können«, sagt Brian wehmütig. »Wenn du dich ranhältst und dich für eine entscheidest, dann kriegen vielleicht ein paar von uns auch noch eine Chance auf eine Verabredung vor der Abschlussparty.«
    »Was für eine Abschlussparty?« Bis zu den Ferien sind es noch ein paar Wochen.
    »Die organisiert die Schule kurz vor den Ferien für alle Schüler bis zur Neunten. Eigentlich ’ne coole Sache, und dieses Jahr können wir ganz fett dabei sein.« Er sieht ein bisschen verlegen aus, und ich habe den Eindruck, dass Brian noch nicht allzu lange über Mädchen nachdenkt. Wogegen ich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen |128| über Mädchen nachdenke   – hauptsächlich über Maria aus dem Tattoo-Studio   – aber noch nie hatte ich das Gefühl, auch nur den Hauch einer Chance zu haben.
    »Die Sache ist die, Joe, falls du was mit Ashley anfängst, dann könntest du vielleicht ein Wort für uns einlegen   … vielleicht ein paar Doppel-Dates ausmachen, so was in der Art   …«
    Vergiss es!, schießt es mir durch den Kopf, aber ich erwidere: »Mal sehen, was sich machen lässt.«
    Ich werde unterbrochen, weil Max einen Pfiff ausstößt und ins darunterliegende Stockwerk späht. »Guckt mal, die da unten, neben Ashley   – die ist ja heißt! Wer ist das denn?«
    Ich verrenke mir den Hals. Na klar. Es ist meine Mutter, voll aufgebrezelt in ihrer neuen Jeans und dem durchsichtigen Top, und so von Weitem sieht sie ehrlich gesagt nicht schlecht aus. Aber ich kann’s nicht leiden, wenn kleine Flachwichser wie Max meiner Mum hinterherpfeifen. Ich muss die Sache auf der Stelle beenden.
    Ich beuge mich mit drohendem Blick zu ihm rüber, die Hände zu Fäusten geballt. »Hasdu kein Respekt vor meina Mutta, Alta? Noch eima so’n Gesülze   …«, sage ich ganz langsam und mit meiner aggromäßigsten Gangstastimme.
    Es klappt. »Ach, das ist deine Mutter?«, sagt er piepsig. »Tut mir echt leid, Joe, konnte ich ja nicht wissen   …« Die anderen Jungs scharren verlegen mit den Füßen und sehen ein bisschen erschrocken aus. Ob Brian ihnen von |129| unserer angeblich vertraulichen Unterhaltung neulich erzählt hat?
    Ich nehme die Hände wieder runter. »Kein Problem, Bruder. Kann jedem mal passieren.« Besonders dann, wenn die betreffende Mutter wie diese saublöde Hannah Montana angezogen ist. »Ich zisch mal besser los und erlöse sie von Ashley.«
    Als ich unten ankomme, schaut sich Mum schon nach mir um. »Du siehst nicht aus wie ein gutes muslimisches Mädchen«, sage ich auf Türkisch   – das sagt Salik im Dönerladen immer zu seiner Tochter   –, und es ist ein alter Witz zwischen mir und meiner Mum, den ich immer mache, wenn sie in den Pub loszieht. Sie lacht und verdreht die Augen und Ashley ist endgültig überzeugt, winkt kurz und wirft mir eine Kusshand zu.
    »Komm, jetzt kaufen wir deine Turnschuhe«, sagt Mum, »und dann vielleicht noch ein paar Jeans und Shirts. Du darfst dir aussuchen, was und wo du willst.« Insgeheim freue ich mich total darüber und dirigiere sie sofort zu
Hollister,
denn Tys Klamotten waren alle vom Schnäppchenmarkt, aus Secondhandläden oder vom Wühltisch. Wieder ein Punkt für Joe. Wie oft wir wohl noch so zuschlagen können, ehe Scotland Yard die Kohle ausgeht?
    Nach Stunden machen wir uns, beladen mit haufenweise coolen Klamotten, auf den Heimweg. Vorher treffe ich Carl noch mal. Diesmal ist er mit seiner ganzen Familie unterwegs: einem rotgesichtigen Vater, der molligen, gehetzten Mutter, und   – jawoll!   – Carl schiebt einen |130| Doppelbuggy mit einem schreienden Pärchen rotznäsiger Kleinkinder vor sich her.
    »Bis dann, Carl«, sage ich und lege Mum locker den Arm um die Schultern, ganz so, als wäre sie meine ein bisschen ältere, aber umwerfend hübsche Freundin. Mum macht zwar ein erstauntes Gesicht, aber das ist es mir wert, denn ich sehe, dass Carl im Vorübergehen fast die babyblauen Augen aus dem Kopf fallen. Ein grandioser Anblick!

|131| Kapitel

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