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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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Ihnen ganz ehrlich, Michelle, dass wir nach ihrem Unfall das Schlimmste befürchtet haben. Sie müssen wissen, dass Ellie eine hervorragende Turnerin war, wir waren ungeheuer stolz auf sie. Und dann   … aber sie hat sich nicht unterkriegen lassen und das Beste draus gemacht, und   … und jetzt, na ja, jetzt kann sie sich womöglich für die Paralympics qualifizieren.«
    »Toll!«, sagt Mum, und Ellie meint, dass ich mich allmählich mal umziehen und aufwärmen soll, weil der Lauf der Achtklässler in einer Dreiviertelstunde anfängt.
    In der Kabine treffe ich Max und Jamie. Der Lauf geht über 800   Meter, eine gute Strecke für mich. »Es sind vier Teilnehmer von jeder Schule«, erklärt mir Max. »Da kommt’s also vor allem darauf an, sich durch die Meute durchzuwühlen.«
    Ich beschließe, von Anfang an durchzuziehen. Nach |135| einem Blick auf Max’ kurze Beine denke ich mir, dass ich ja wohl zumindest ihn besiegen kann.
    Ich kann die beiden nicht für einen kleinen Aufwärmlauf begeistern. »Ich hab eh keine Chance zu gewinnen, wozu also der ganze Stress?«, meint Jamie. Also jogge ich ein bisschen auf und ab und mache dann sämtliche Dehnübungen, die mir Ellie gezeigt hat. Dann gehe ich nachsehen, ob Mum nicht inzwischen unsere Tarnung hat auffliegen lassen. Sie sitzt neben Ellie, die von meinem Talent schwärmt und davon, was für eine großartige Zukunft ich haben könnte, wenn ich mich völlig der Leichtathletik widmen würde.
    »Komm doch mal eben her, Joe«, ruft sie.
    Ich trabe gehorsam hinüber. »Sehen Sie mal«, sagt Ellie, »sehen Sie sich seine Beine an. Sie sind im Verhältnis zum Rest seines Körpers sehr lang. Das verschafft ihm noch vor dem Start einen echten Vorteil.« Sie zeigt Mum, wie lang meine Oberschenkel sind, wobei sie flüchtig meinen Schritt streift. Mann! Mum zieht die Augenbrauen hoch und muss sich das Kichern verbeißen.
    Da wird zum Glück der Lauf der Achtklässler aufgerufen und ich kann der sexuellen Belästigung entkommen. Es macht mir immer noch Kopfzerbrechen, dass ich eigentlich schummele. Andererseits: Ich gehe in die Achte, oder? Ich bin eindeutig ein Junge. Und ein paar von den anderen Jungs, die sich gerade aufstellen, sehen auch ziemlich groß und kräftig aus.
     
    |136| Peng! Nach dem Startschuss sprinte ich sofort an die Spitze. Ich atme gleichmäßig, mache immer größere Schritte und setze mich von den anderen Läufern ab. Zu viert kämpfen wir um die Spitzenposition, und als wir in die Kurve gehen, hat sich die Reihenfolge geklärt: Ganz vorn rennt ein großer blonder Kerl, dann komme ich und dicht hinter mir zwei andere. Ich fühle mich gut. Kontrolliert. Das wird ein Kinderspiel   …
    Genauso läuft’s. Ich bleibe bis zur letzten Runde an meinem Vordermann dran, dann gebe ich Gas. Ich überhole den Blonden. Ich sehe sein entsetztes knallrotes Gesicht, dann bin ich vorbei   – ohne mich besonders anzustrengen. Dann mache ich noch ein bisschen Dampf für die Stoppuhr und schon taucht das Zielband vor mir auf und   … hallo, das war ja einfach. Trotzdem ist es ein gutes Gefühl, zu gewinnen. Unheimlich gut.
    Alle jubeln   – und sie jubeln
mir
zu. Ich stoße die Faust in den Himmel und ziehe sie gleich wieder zurück. Schließlich habe ich bloß ein blödes Rennen für Dreizehnjährige gewonnen, kein olympisches Gold. Jemand drückt mir eine Flasche Wasser in die Hand und ich gluckere alles weg.
    Mr Henderson klopft mir auf die Schulter. »Gut gemacht«, sagt er und zeigt mir die Zeit. »Hervorragend. Die Neuntklässler kommen als Nächstes dran, mal sehen, wo du mit deiner Zeit gelandet wärst.«
    Es ist komisch, zuzusehen, wie sich die Neuntklässler aufstellen. Eigentlich müsste ich mit ihnen starten. Aus dieser Gruppe würde ich nicht so herausstechen. Ich |137| würde im Mittelfeld landen, ein normaler Vierzehnjähriger eben. Nichts Besonderes. Nicht wie Joe   … Ich sehe sie laufen, sehe, wie der Sieger sich freut   – dann hält mir Mr Henderson einen Zettel unter die Nase, und ich stelle fest, dass ich gute fünf Sekunden schneller war. Ich hätte auch dieses Rennen gewinnen können. Jetzt muss ich doch grinsen.
    Jamie und Max kommen zu mir und wir klatschen uns ab. »Ich wusste, dass du das schaffst«, sagt Max. »Du wirst echt noch ne internationale Sportskanone. Ich hab gehört, wie Mr Henderson zum Direktor gesagt hat, in dir steckt mehr als in sonst wem an unserer Schule.«
    Er zieht mich garantiert auf. »Klar Mann!« Ich

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