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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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glücklichen Einstand in Parkview gehabt. Hier geht es wahrscheinlich doch anders zu, als du es gewohnt warst«, sagt Mr Naylor, als wäre ich ein Neandertaler oder so was. »Claires Mutter hat bestätigt, was Ashley berichtet. Sie meinte, sie habe sich schon große Sorgen gemacht, weil ihr euch stundenlang im Dunkeln in Claires Zimmer eingeschlossen habt, und sie macht sich ebenfalls Sorgen, dass du Claire womöglich zu etwas gedrängt hast, wozu sie noch nicht bereit war.«
    Ashley funkelt mich an.
    »Claire und ich sind Freunde«, antworte ich. »Gute Freunde. Ich habe sie zu gar nichts gedrängt   … Ich habe ihr gestern das Leben gerettet   … Hat ihre Mutter nichts davon erzählt?«
    »Sie war ziemlich außer sich, weil du offensichtlich |320| wusstest, dass Claire sich regelmäßig ritzt, aber niemanden um Hilfe gebeten hast. Sie hat sogar angedeutet, dass du womöglich irgendwie an dieser   … dieser Selbstverstümmelung beteiligt gewesen bist.«
    »Ich habe Claire das Leben gerettet   … ich würde ihr nie irgendetwas antun.«
    »Joe, die halbe Schule hat gesehen, wie du sie im Schulhof angebrüllt und geschüttelt hast. Ich habe hier einen Bericht von der stellvertretenden Rektorin. Sie sagt, Claire schien Angst vor dir zu haben.«
    »Nein   … ehrlich   … ich wollte ihr doch nur helfen   … Ich habe sie zur Schulschwester gebracht. Fragen Sie sie doch… sie wird Ihnen bestätigen, dass ich mich nur um sie gekümmert habe   …«
    Mr Naylor wendet sich wieder Ashley zu. »Vielen Dank, dass du hergekommen bist, Ashley. Es ist dir bestimmt nicht leichtgefallen, so offen zu reden, aber ich versichere dir, dass wir alles tun werden, um dich in Zukunft vor irgendwelchen Übergriffen zu schützen.«
    Das klingt nicht gut. Ich nehme einen letzten Anlauf: »Warum fragen Sie Claire nicht selber? Sie kann Ihnen sagen, dass ich ihr nichts getan habe.«
    »Das werde ich zu gegebener Zeit sicherlich tun. Ashley, du kannst jetzt wieder zum Unterricht gehen, ich möchte mich noch kurz mit Joe allein unterhalten.«
    Als Ashley zur Tür geht, wirft sie mir einen Blick zu. Der Blick sagt sehr deutlich, dass sie sehr wohl mitgekriegt hat, dass ich mich schon mit Claire getroffen habe, als wir beide noch offiziell zusammen waren.
    |321| »Hör mal, Joe«, fängt Mr Naylor wieder an: »Mädchen zu bedrängen, Mädchen zu sexuellen Handlungen zu zwingen   … das ist wirklich das Allerletzte. Jungen, die nicht begreifen, dass Nein wirklich Nein heißt, sind eine Gefahr für die Gesellschaft.«
    »Aber ich habe doch gar nicht   …«
    »Ich muss mir gut überlegen, wie ich damit umzugehen gedenke. Womöglich muss ich mit Ashleys und Claires Eltern darüber sprechen. Du kannst für heute nach Hause gehen. Ist deine Mutter denn wieder da?«
    »Ja.«
    »Dann möchte ich euch beide morgen Vormittag sprechen, um elf Uhr. Geh jetzt. Und sieh zu, dass du bis morgen nicht wieder in irgendwas verwickelt wirst. Schaffst du das?«
    Ich nicke   – ja, klar, du sarkastisches altes Arschloch   –, aber ich mache mir allmählich meine Gedanken. Vielleicht will das Schicksal, dass ich wieder in irgendwas verwickelt werde, immer wieder, und alles wird immer schlimmer und schlimmer, bis das Schicksal oder Gott oder wer auch immer mich für alles bestraft hat, womit ich bis jetzt durchgekommen bin.

|322| Kapitel 26
Der Wolf
    Das verkraftet Joe Andrews nicht. Das geht echt zu weit. Sexuelle Belästigung?! Oder hat Ashley sogar noch etwas Schlimmeres angedeutet? Was zum Teufel soll ich jetzt machen?
    Claires Eltern   … Ich muss mit ihnen sprechen, ihnen alles erklären, sie dazu bringen, dass sie es kapieren. Vielleicht können sie Mr Naylor ja klarmachen, dass ich eigentlich ein Held bin. Sie sind bestimmt noch im Krankenhaus. Ich muss sofort hin. Aber ich pack’s jetzt nicht, Mum zu erzählen, dass ich schon wieder von der Schule suspendiert wurde.
    Ich gehe ins Zimmer der Schulkrankenschwester. »Ach, du schon wieder«, sagt sie. Ich behaupte, dass mir schlecht ist und ich mich gleich übergeben muss. Das ist natürlich gelogen.
    Sie ruft bei uns zu Hause an und ich höre, wie Mum am anderen Ende sagt: »Ich weiß sowieso nicht, warum er heute in die Schule gegangen ist. Ich habe ihm gestern Abend gesagt, dass er noch nicht in der Verfassung ist.«
    Zwanzig Minuten später spazieren Mum und ich zum |323| Schultor hinaus. Alistairs Ford Fiesta parkt davor   – er hat also bei uns übernachtet. Aber das ist mir

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