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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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vorzuwerfen hätte. Ich bin der Held dieser Episode und sie ist der Schurke. Ich habe Claire das Leben gerettet. Ich habe eine gute Tat vollbracht. Dann stehen wir vor der Tür zum Büro ihrer Mutter.
    Da sieht mich Ashley auf einmal an und sagt: »Wär gut, wenn du alles bestätigst, was ich sage.«
    »Hä?«
    »Widersprich mir nicht. Sag Mr Naylor nicht, was ich dir über Claire erzählt habe. Sonst sind Jordan und Louis schneller hier, als du   …«   – sie grinst flüchtig   – »Messer sagen kannst.«
    Oh nein. Nicht das auch noch. Dann stehen wir im Sekretariat und Ashley sagt: »Hallo, Mum, wir sollen uns beim Schulleiter melden.«
    Mr Naylor sitzt an seinem Schreibtisch und zeigt auf die beiden Stühle davor. Ich schiele misstrauisch zu Ashley hinüber. »Guten Morgen, Mr Naylor«, sagt sie betont höflich. Ich nuschle etwas vor mich hin.
    |317| »Ihr wisst bestimmt, warum ihr hier seid«, sagt Mr Naylor. »Es geht um den erschütternden Vorfall bezüglich eurer Mitschülerin Claire Langley.«
    »Ich weiß von nichts, tut mir leid, Mr Naylor«, sagt Ashley. Sie lügt wie ein Profi. Ich mache die Augen zu und bete, dass er einigermaßen diskret bleibt, aber nein.
    »Claire hat sich gestern Nachmittag die Handgelenke aufgeschnitten. Sie hat viel Blut verloren und musste ins Krankenhaus. Zum Glück ist sie außer Gefahr und wird wieder gesund.«
    Das hört sich an, als hätte Claire sich umbringen wollen. Das kann ich nicht so stehen lassen.
    »Claire hat sich nicht die Handgelenke aufgeschnitten   … sie hat sich bloß geritzt.«
    Mr Naylor und Ashley sehen mich beide an, als wäre ich übergeschnappt. Ich verstumme.
    »Claires Eltern haben heute Morgen mit mir gesprochen, und jetzt möchte ich wissen, was gestern in der Mittagspause und gleich danach passiert ist. Du, Joe, bist dabei gesehen worden, wie du dich sehr aggressiv gegenüber Ashley verhalten hast, und kurz danach hat dich die halbe Schule dabei beobachtet, wie du Claire auf dem Schulhof angebrüllt und grob angefasst hast.«
    Hallo? »Nein   … so war das nicht«, widerspreche ich, merke aber selbst, dass ich nicht sehr überzeugend klinge.
    »Mr Naylor«, mischt sich Ashley ein, »ich kenne Claire schon lange. Sie ist ein echt nettes Mädchen, bloß nicht sehr selbstbewusst   … sie ist halt noch sehr jung. Mir war |318| aufgefallen, dass Joe ein Auge auf sie geworfen hat, und das gefiel mir gar nicht. Ich kenne ihn und weiß, wie er sein kann. Ich wollte Claire vor ihm beschützen   … vor seinen Absichten. Also habe ich ihm gesagt, er soll sie in Ruhe lassen   … meine Freundin Claire. Das hat ihm nicht gefallen, er hat mich eine Drecksau genannt, und ich dachte schon, er will mich schlagen.«
    »Ich   … ich   … ich hab dich nicht geschlagen!«
    »Aber nur, weil dich Brian davon abgehalten hat. Wie auch immer, Claire hat das Ganze mitgekriegt und sich darüber aufgeregt. Für sie hat sich noch nie ein Junge interessiert, ich glaube, sie war eine leichte Beute für Joe. Joe war sauer auf mich und ich hatte Angst vor ihm. Dann ist Claire weggerannt und er hinterher. Was danach passiert ist, weiß ich nicht, weil ich ziemlich durcheinander war und aufs Mädchenklo gegangen bin, um   … mich wieder zu fangen.«
    Sie hätte einen Oscar verdient. Sogar ich falle fast auf ihre Geschichte rein. Was soll ich jetzt machen? Sie verdreht alles, sie lügt, aber ich darf nicht riskieren, dass Jordan und Louis die Sache mit dem Messer auftischen.
    »Was meinst du mit ›wie Joe sein kann‹, Ashley?«, erkundigt sich Mr Naylor. »Ich weiß, dass es ein bisschen peinlich ist, aber es ist wichtig, dass wir hier Klartext reden.«
    Alter Perversling. Ich weiß, worauf er hinauswill, und Ashley liefert es ihm bereitwillig.
    »Wir sind eine Weile miteinander gegangen, und erst |319| dachte ich, er ist toll, aber   …«, sie tupft sich eine Träne aus dem Augenwinkel, »…   er wollte zu viel. Zu schnell. Und um seinen Willen zu kriegen, geht er sehr grob und aufdringlich vor. Ich habe Angst gekriegt und musste mit ihm Schluss machen.«
    Herrgott noch mal! Was will sie mir da anhängen? Grob? Aufdringlich?
    »Stimmt das, Joe?«
    Stimmt was? »Ich   … ich   … ich wüsste nicht, dass ich etwas Schlimmes getan hätte. Ashley   … mir hat sie erzählt, ihre Eltern wollen, dass sie wegen der Sache beim Schwimmen mit mir Schluss macht.«
    Bin ich bescheuert, ihn auch noch daran zu erinnern?
    »Ach richtig. Du hast keinen sehr

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