Mehr als nur Traeume
durch den Glorienschein dieses Engels. Und dann wanderte eine Wolke weiter, und das Licht berührte Nicholas’ Marmorhand.
»Bitte«, flüsterte Dougless, »bitte«.
Und in diesem Moment hörte Dougless sein Lachen. Nicht irgendein Lachen, sondern sein Lachen.
»Nicholas?« flüsterte sie, hob den Kopf und blinzelte, damit sie besser sehen konnte. Aber da war niemand außer ihr in der Kirche.
Sie erhob sich schwerfällig vom Boden. »Nicholas?« sagte sie lauter und drehte sich jählings um, als sie wieder dieses Lachen hörte, diesmal direkt hinter ihr. Sie streckte die Hand aus; aber da war nichts - niemand - in ihrer Nähe.
»Ja«, sagte sie, sich gerade aufrichtend, dann lauter: »Ja.« Sie hob ihr Gesicht in das Sonnenlicht und dem Engel im Fenster entgegen. Sie schloß die Augen, den Kopf in den Nacken gelegt. »Ja«, flüsterte sie.
Plötzlich hatte Dougless das Gefühl, als würde sie jemand heftig in den Magen boxen. Sie knickte nach vom bei dem jähen Schmerz und fiel mit dem Gesicht nach unten auf den Steinboden. Als sie wieder aufzustehen versuchte, wurde sie von einem heftigen Schwindelgefühl erfaßt, und sie meinte, sich erbrechen zu müssen. Sie mußte eine Toilette aufsuchen. Sie konnte unmöglich die Kirche beschmutzen.
Aber als sie zu gehen versuchte, geschah nichts. Es war so, als gehorchte ihr Körper nicht mehr ihrem Gehirn. »Nicholas«, flüsterte sie und streckte ihre Hand nach der Gruft aus; aber im nächsten Moment wurde es dunkel um sie her, und sie brach auf dem Boden zusammen.
Als sie wieder aufwachte, fühlte sie sich schwindlig und schwach. Sie wußte nicht, wo sie sich befand. Als sie die Augen aufschlug, war über ihr der blaue Himmel und ein Laubbaum in ihrer Nähe.
»Wie komme ich hierher?« flüsterte sie. War sie denn noch aus der Kirche gelaufen?
Sie schloß die Augen wieder. Sie war so schwach, daß sie gern dort liegenbleiben wollte, wo sie jetzt war, um ein wenig zu schlafen. Später wollte sie dann nachsehen, wo sie sich befand.
Als sie einzudösen begann, hörte sie ein Mädchen in der Nähe kichern. Kinder, dachte sie, spielende Kinder.
Doch als ein männliches Lachen dem Kichern antwortete, öffnete sie wieder die Augen. »Nicholas?« Sie setzte sich abrupt auf und blickte sich um. Sie saß im Gras unter einem Baum in einer hübschen englischen Landschaft. Sie drehte sich, um sich zu orientieren. Wann hatte sie die Kirche verlassen?
Sie hörte auf, sich im Kreis zu drehen, als sie einen Mann auf einem Feld erblickte. Er war ziemlich weit entfernt und nicht leicht zu erkennen; aber er schien eine Art kurzer brauner Robe zu tragen und pflügte mit einem Ochsen das Feld. Dougless blinzelte ein paarmal; aber das Bild wollte sich nicht verändern. Das ländliche England verdiente diesen Namen wirklich.
Hinter ihr klang wieder dieses Kichern auf. »Sir Nicholas«, sagte dann eine verträumte weibliche Stimme.
Dougless überlegte erst gar nicht, was sie da tat - sie reagierte nur. Sie sprang auf die Füße und watete in die Büsche hinein.
Dort rollte Nicholas über das Gras. Ihr Nicholas. Sein Hemd hing ihm halb vom Leib, und er hatte seine starken Arme um ein dralles Mädchen gelegt, die das Oberteil eines seltsamen Kleidungsstückes vom geöffnet hatte.
»Nicholas«, rief Dougless laut, »wie konntest du nur? Wie konntest du mir das antun?« Tränen begannen wieder zu fließen. »Ich bin fast wahnsinnig vor Sorge um dich, und hier liegst du mit dieser .. . mit dieser .. . O Nicholas, wie konntest du nur?« Sie nahm ein Seidenpapiertuch aus ihrer Tasche und schneuzte sich laut.
Auf dem Boden hatten Nicholas und das Mädchen aufgehört, sich zu bewegen. Das Mädchen zog ängstlich und hastig das Busentuch vorne wieder zusammen, glitt unter Nicholas hervor und suchte eilends das Weite.
Nicholas drehte sich mit einem finsteren Ausdruck auf seinem hübschen Gesicht auf den Rücken, stemmte sich auf den Ellenbogen in die Höhe und blickte zu der rothaarigen Frau hinauf. »Wie meintet Ihr das eben?« forschte er.
Dougless erster Zorn legte sich sofort. Sie stand einen Moment da und starrte auf ihn hinunter. Nicholas war hier bei ihr. Hier!
Sie sprang zu ihm, warf ihm die Arme um den Hals und begann, sein Gesicht mit Küssen zu bedecken. Seine Arme gingen um ihren Körper, als er wieder auf den Boden zurückfiel.
»Nicholas, du bist es. Du bist es wirklich. O mein Liebling, es war grauenhaft, nachdem du mich verlassen hattest. Niemand konnte sich mehr daran
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