Mehr als nur Traeume
seltsam wie deine altmodischen Ideen. Nicholas, ich friere, habe Hunger und bin naß bis auf die Haut. Hilf mir auf dein Pferd hinauf, und dann laß uns deine Mutter besuchen.«
Nicholas zeigte nun so etwas wie ein belustigtes Lächeln und streckte dann eine Hand zu ihr hinunter. Dougless ergriff sie, setzte ihren rechten Fuß auf seinen rechten Fuß und schwang sich hinter ihm auf das Pferd - nicht auf den Sattel, sondern den nackten, harten Rumpf des Tieres. Dougless legte die Arme um Nicholas’ Taille, doch er löste ihre Hände wieder von seinem Körper und schob sie auf das hohe Rückengestell seines Sattels. Dann gab er ihr ihren Schirm zurück.
»Haltet das über mich!« befahl er und trieb sein Pferd an.
Dougless wollte ihm eine geharnischte Antwort geben; aber sie mußte sich darauf konzentrieren, nicht vom Pferd herunterzufallen. Dazu brauchte sie beide Hände, und der Regenschirm hing nutzlos auf einer Seite, während sie im Galopp durch den Regen preschten. Sie sah noch mehr von diesen Strohhütten und Leuten, die im Regen arbeiteten und sich offenbar wenig um ihn scherten. »Vielleicht bekommt ihnen diese Wäsche gut«, murmelte sie und klammerte sich so gut sie konnte an dieses Gestell.
Da sie hinter Nicholas saß und er so groß war, daß sie nicht über seine Schultern blicken konnte, sah sie auch das Haus nicht, bis sie sich unmittelbar vor ihm befanden. Da war eine große Steinmauer und dahinter ein zweistöckiges Gebäude.
Ein Mann, der ähnlich gekleidet war wie Nicholas - keine Sackleinwand -, eilte herbei, um das Pferd beim Zügel zu nehmen. Nicholas stieg aus dem Sattel, stand dann neben dem Pferd und schlug ungeduldig mit den Handschuhen in die rechte Handfläche, während Dougless sich mühte, von dem Rappen herunterzukommen und dabei ihren Regenschirm und ihre Umhängetasche nicht zu verlieren.
Als sie endlich auf dem regendurchweichten Boden stand, öffnete der Diener das Tor, und Nicholas ging hindurch. Offenbar erwartete er, daß Dougless ihm folgte, und so rannte sie ihm nach, einen mit Ziegelsteinen gepflasterten Pfad hinunter, dann eine Treppe hinauf und über eine Terrasse aus Ziegelsteinen hinein ins Haus.
Ein zweiter Diener erwartete sie dort mit feierlichem Gesicht und nahm Nicholas den Umhang und den nassen Hut ab. Dougless klappte den Regenschirm zusammen, und Nicholas nahm ihn ihr aus den Händen, blickte hinein, versuchte offenbar zu ergründen, wie er funktionierte. Nach der rüden Behandlung, die sie von ihm erfahren hatte, war sie nicht bereit, ihn aufzuklären, sondern riß ihm den Schirm aus den Händen und überreichte ihn dem Diener, der sie mit großen Augen ansah. »Das gehört mir. Vergessen Sie das nicht, und lassen Sie niemanden sonst an dieses Ding heran.«
Nicholas sah sie an und schnaubte. Dougless hängte sich ihre Tasche wieder über die Schulter und gab seinen Blick wütend zurück. Sie begann zu zweifeln, daß dies der Mann sei, in den sie sich unsterblich verliebt hatte. Ihr Nicholas würde niemals eine Frau gezwungen haben, ohne Sattel auf dem Rücken eines wilden Hengstes zu reiten.
Er drehte sich von ihr weg und lief eine Treppe hinauf. Dougless folgte ihm, naß und mit vor Kälte klappernden Zähnen. Sie konnte nur einen flüchtigen Blick auf Wände und Möbel werfen; aber dieses Gebäude hatte keine Ähnlichkeit mit den elizabethanischen Häusern, die sie auf ihren Reisen durch England besichtigt hatte. Zunächst hatten vierhundert Jahre das Eichenholz der Vertäfelung nicht dunkel gemacht, sondern es schimmerte in einem hellen, angenehm warmen Goldton. Der Verputz über der Vertäfelung war bunt bemalt, zeigte Szenen aus dem Landleben. Überall sah sie in frischen Farben prangende Wandteppiche und Tische, auf denen Schalen aus blankem Silber standen. Wie seltsam, dachte Dougless bei sich, daß der Boden, über dem sie hinschritt, mit gemeinem Stroh ausgelegt zu sein schien.
Im oberen Stockwerk standen geschnitzte Möbel in der Halle, die so neu aussahen, als wären sie erst vor einer Woche hergestellt worden. Auf einem Tisch entdeckte sie einen hohen Krug mit einer wunderschönen tiefen Kannelierung. Er bestand aus einem gelben Metall, das nur pures Gold sein konnte.
Ehe Dougless eine diesbezügliche Frage stellen konnte, öffnete Nicholas vor ihr eine Tür und ging hindurch.
»Ich habe die Hexe gebracht«, hörte sie Nicholas sagen.
»Moment mal!« protestierte Dougless, drehte sich von dem Tisch mit der Kanne weg und eilte Nicholas in
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