Mehr als nur Traeume
den Gärtnern bei der Arbeit zu. Sie kannte nicht viele Lieder, hatte jedoch eine Vorliebe für Broadway-Musicals und sich die meisten von ihnen auf Videobändern angeschaut. Als sie nun überlegte, was sie Honoria vortragen sollte, fielen ihr viel mehr Melodien und Texte ein, als sie zu wissen meinte. Sie kannte »I Could Have Dances All Night« und »Get Me to the Church on Time« aus My Fair Lady auswendig, und Honoria lachte, als sie ihr die Titelmelodie von Hair vorsang. Sie konnte auch »Call the Wind Mariah« aus Paint Your Wagon zu Gehör bringen und summte dann das Leitmotiv von »Gilligan’s Island«.
Honoria hob die Hand. »Das muß ich mir alles aufschreiben«, sagte sie und ging ins Haus zurück, um Papier und Feder zu holen.
Dougless blieb auf der Bank sitzen und genoß diesen Augenblick wie eine faule, sich sonnende Katze. Hier gab es nicht diesen Zeitdruck wie in ihrem modernen Dasein, dieses Gefühl, im nächsten Moment irgend woanders sein zu müssen und etwas anderes tun zu müssen.
Sie bemerkte, wie sich in der entfernten Mauer eine kleine Tür öffnete und Nicholas in den Garten kam. Sogleich war Dougless wieder hellwach, und ihr Herz begann wie rasend zu klopfen. Würde ihm ihr Kleid gefallen? Würde sie nun einen größeren Eindruck auf ihn machen, weil sie aussah wie die anderen Frauen in seinem Jahrhundert?
Sie wollte sich von ihrem Platz erheben, als sie eine zweite Person hinter ihm in den Garten treten sah. Es war eine hübsche junge Frau, die Dougless bisher noch nie gesehen hatte. Nicholas hielt sie bei der Hand, und die beiden rannten nun einen Pfad hinunter zu einer Weinlaube in der entgegengesetzten Ecke des Gartens. Es war unschwer zu erkennen, daß sie sich ein Plätzchen suchten, so sie ungestört waren.
Dougless ballte die Hände zu Fäusten. Zum Henker mit ihm, dachte sie bei sich. Das ist genau die Verhaltensweise, die ihn bei ihren Zeitgenossen so schrecklich in Verruf gebracht hatte. Kein Wunder, daß die Geschichtsbücher nichts Gutes über ihn zu berichten wußten.
Dougless’ erster Gedanke war, den beiden nachzurennen und der Frau die Haare auszureißen. Nicholas mochte sich zwar nicht mehr an sie erinnern, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß sie, Dougless, die Frau war, die er liebte. Was ihm jedoch in diesem Augenblick nicht bewußt war. Sie war es aber dem zukünftigen Andenken an Nicholas schuldig, seinem leichtsinnigen Treiben ein Ende zu setzen.
Sie kam sich wie eine Heilige vor, als sie sich sagte, sie täte das alles nur zum Nutzen und Frommen von Nicholas, während sie den Pfad zur Laube hinunterging und die Blicke der Gärtner in ihrem Rücken spürte.
Im Schatten der Laube hatte Nicholas bereits die Röcke der Frau über deren nackten Schenkel hinaufgestreift, und seine Hand schob sich soeben zwischen ihre Beine, während die Frau ihrerseits mit der Hand unter seinem offenen Hemd wühlte. Dabei küßten die beiden sich recht heftig.
»Also!« sagte Dougless laut, ihren Impuls, die beiden anzuspringen, mühsam beherrschend, »ich denke nicht, daß dies das Benehmen eines Gentleman ist, Nicholas!«
Die Frau löste sich zuerst von ihm und blickte Dougless überrascht an. Sie versuchte, Nicholas von sich wegzuschieben, aber er schien mit dem Küssen nicht aufhören zu können.
»Nicholas!« rief sie in ihrem strengsten Schulmeisterton.
Nicholas drehte den Kopf zur Seite und sah sie über die Schulter hinweg an. Seine Lider waren halb gesenkt, und er hatte jenen Schlafzimmerblick, den sie aus der Nacht kannte, als er zuerst mit ihr geschlafen hatte.
Sie holte geräuschvoll Luft.
Dann veränderte sich Nicholas’ Miene rasch. Sein Gesicht lief rot an vor Zorn, und er ließ die Röcke der Frau fallen.
»Ich denke, du solltest jetzt lieber gehen«, sagte Dougless, die nun vor Wut bebte, zu der jungen Frau.
Die Frau blickte zwischen Nicholas und Dougless hin und her und eilte dann zum Gartentor.
Nicholas blickte Dougless von Kopf bis Fuß an, und sein wütendes Gesicht hätte sie fast in die Flucht geschlagen; aber sie verharrte tapfer auf der Stelle und sagte:
»Nicholas, wir müssen miteinander reden. Ich muß dir erklären, wer ich bin und warum ich hierherkam.«
Er ging auf sie zu, und diesmal wich sie vor ihm zurück. »Ihr habt meine Mutter verhext«, sagte er mit leiser Stimme, »aber mich verzaubert Ihr nicht. Wenn Ihr Euch noch einmal zwischen mich und meine Wünsche stellt, werde ich ein Batlet gegen Euch gebrauchen.«
Er
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