Mehr als nur Traeume
mir ihr zu sprechen.«
»Gelehrter, ha!« schnaubte Dougless.
Nicholas lächelte noch immer. »Ihr seid eifersüchtig?«
»Eifersüchtig? Ganz gewiß nicht. Ich bin Ihre Angestellte. Ich habe kein Recht, eifersüchtig zu ein. Haben Sie ihr von Ihrer Frau erzählt?«
Nicholas nahm eines von den Büchern mit Shakespeares Dramen in die Hand, die die Bibliothekarin für ihn bereitgelegt hatte. »Ihr seid frampold heute morgen«, sagte er, lächelte aber dabei, als würde ihn das freuen.
Dougless war das Wort frampold nicht geläufig. Also notierte sie es sich, um es später im Lexikon nachzuschlagen. Ein Wort aus der Shakespeare-Zeit: streitsüchtig. Aha, er hielt sie für streitsüchtig. Sie beschäftigte sich wieder mit ihren Nachforschungen.
Um drei Uhr nachmittags wäre sie fast von ihrem Stuhl hochgesprungen. »Sehen Sie! Da!« Aufgeregt ging sie um den Tisch herum, um sich auf einen Stuhl neben Nicholas zu setzen. »Dieser Absatz!« Sie deutete mit dem Finger darauf; aber er konnte nur ein paar Sätze davon verstehen. Sie hielt eine zwei Monate alte Ausgabe eines Magazins über englische Geschichte in der Hand.
»Dieser Artikel berichtet über Goshawk Hall. Die Fremdenführerin in Bellwood hatte diese Sammlung ja bereits erwähnt. Und hier wird über eine Neuentdeckung von Papieren in den Dokumenten der Stafford-Familie in Goshawk berichtet. Sie werden gegenwärtig von Dr. Hamilton J. Nolman geprüft. Weiterhin steht hier, daß Dr. Nolman hofft, beweisen zu können, daß Nicholas Stafford, der am Anfang der Regierungszeit von Elizabeth I. des Hochverrats beschuldigt wurde, tatsächlich unschuldig war.«
Dougless blickte Nicholas an und gleich wieder weg, denn der Ausdruck in seinen Augen legte seine ganze Seele bloß.
»Das ist es, weswegen ich hierhergekommen bin«, sagte er leise. »Nichts konnte bewiesen werden, bis diese Papiere gefunden wurden. Wir müssen nach Goshawk fahren.«
»Wir können nicht einfach dorthin gehen. Wir müssen ein Gesuch an die Eigentümer richten, die Papiere einsehen zu dürfen.« Sie schlug das Magazin zu. »Was für eine Größe muß ein Haus haben, wenn man dort einen Koffer voller Papiere vierhundert Jahre lang übersehen konnte?«
»Goshawk Hall ist nicht so groß wie vier meiner Häuser«, erwiderte Nicholas in einem leicht beleidigten Ton.
Dougless lehnte sich in ihrem Stuhl zurück mit dem Gefühl, daß sie endlich ihrem Ziel ein Stück näher kommen würden. Sie hatte keinen Zweifel, daß die Dokumente, die in dem Magazin erwähnt wurden, von Nicholas’ Mutter stammten, und daß der Beweis, den Nicholas brauchte, um seinen Namen reinzuwaschen, in diesen Papieren zu finden war. ..«
»Hallo!«
Sie sahen beide hoch, und vor ihnen stand die hübsche junge Frau, die Nicholas das Baseballspiel erklärt hatte. »Dachte ich mir doch, daß Sie es sind«, sagte sie und musterte dann Dougless von oben bis unten. »Ist das Ihre Freundin?«
»Nur seine Sekretärin«, sagte Dougless und erhob sich von ihrem Stuhl. »Haben Sie noch einen Wunsch, Lord Stafford?«
»Lord?!« meinte die junge Dame tief beeindruckt. »Sie sind ein Lord ?«
Nicholas wollte Dougless aus der Bibliothek folgen; aber die Amerikanerin, geradezu hingerissen von der Neuigkeit, daß sie einen echten Lord kennengelernt hatte, wollte ihn nicht gehen lassen.
Dougless begab sich in das Hotel zurück, versuchte sich mit aller Macht auf den Brief zu konzentrieren, den sie nach Goshawk Hall schicken wollte, mußte aber immer wieder an Nicholas denken, der jetzt mit der hübschen Amerikanerin flirtete. Nicht, daß ihr das irgendwie naheging. Dies war ja nur ein Job. Bald würde sie wieder zu Hause sein und in ihrer Schulklasse unterrichten, hin und wieder eine Verabredung haben, ihre Familie besuchen und ihnen alles über England erzählen — ihnen erklären, wie sie von einem Mann auf schnöde Art mitten auf einem Friedhof stehengelassen wurde und sich dann halbwegs in einen Mann verknallt hatte, der verheiratet und ungefähr vierhundertundeinundfünfzig Jahre alt war.
Die beste Dougless-Story bisher, dachte sie.
Als sie das Hotel erreicht hatte, fing sie an, die Sachen auf das Klappbett und die Stühle zu schmeißen. Zum Teufel mit allen Männern, dachte sie bei sich. Zum Teufel mit den guten wie den schlechten. Sie brachen ihr immer wieder das Herz.
»Wie ich sehe, hat sich Ihre Laune nicht gebessert«, sagte Nicholas hinter ihrem Rücken.
»Meine Laune geht sie nichts an«, fauchte sie. »Sie haben
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