Mehr als nur Traeume
Euch versichern, daß ich mir gewiß nicht seinen Tod wünschte.«
»Zu viel Verantwortung?« fragte Dougless. »Wer Boss ist, muß auch die dazugehörige Last tragen.«
Er sah sie verärgert an. »Ihr habt wohl ein blindes Vertrauen zu Euren Geschichtsbüchern, wie? Kommt«, sagte er, »Ihr müßt noch mehr lesen. Wer hat mich verraten?«
Dougless las den ganzen Nachmittag hindurch, während Nicholas über den Kaufmann von Venedig lachte; aber sie konnte nichts finden, was ihr neue Erkenntnisse brachte.
Abends wollte Nicholas mit ihr dinieren; aber sie schlug seine Einladung aus. Sie wußte, daß sie nicht mehr so viel Zeit wie bisher mit ihm verbringen durfte. Noch litt sie unter dem Schmerz eines gebrochenen Herzens, und nur zu leicht würde sie wieder mehr für ihn empfinden, als gut für sie war. Er sah aus wie ein trauriger kleiner Junge, als er, die Hände in den Hosentaschen, zum Dinner hinüberging, während Dougless sich eine kleine Terrine Suppe und Brot in ihr Zimmer hinaufbringen ließ. Sie aß und ging dann ihre Notizen durch, konnte aber keinen Hinweis auf dunkle Machenschaften entdecken. Niemand schien durch den Tod der beiden Brüder Christopher und Nicholas etwas zu gewinnen.
So gegen zehn Uhr abends, als Nicholas noch immer nicht vom Dinner zurückgekommen war, wurde sie neugierig und ging in die Halle hinunter, um nach ihm zu sehen. Er befand sich in einem schönen Salon mit steinernen Wänden, lachte dort mit einem halben Dutzend Gästen. Dougless stand im Schatten des Durchgangs, beobachtete die Gruppe - und eine unvernünftige, ungerechtfertigte Wut überflutete ihren Körper. Sie hatte ihn in diese Zeit gerufen; aber hier waren zwei andere Frauen und machten ihm unverschämt schöne Augen.
Sie drehte sich auf den Absätzen herum und verließ die Halle. Er war genauso, wie er in den Büchern beschrieben wurde. Kein Wunder, daß jemand ihn bedenkenlos verraten hatte. Statt sich um seine Geschäfte zu kümmern, hatte er vermutlich mit einer Frau im Bett gelegen.
Sie ging wieder nach oben, zog ihr Nachthemd an und stieg in das kleine Klappbett, das die Hotelverwaltung ihr ins Zimmer hatte stellen lassen. Aber sie schlief nicht, sondern wurde von einem törichten, ohnmächtigen Zorn geplagt. Vielleicht hätte sie doch mit Robert gehen sollen. Robert war wenigstens wirklich. Er hatte zwar Probleme, wenn es um die gerechte Verteilung von Kosten ging, und liebte seine Tochter im übertriebenen Maße; aber er war ihr stets treu gewesen.
Gegen elf hörte sie, wie Nicholas die Tür seines Schlafzimmers öffnete, und sie sah Licht unter der Tür zwischen ihren Räumen. Als er dann auch ihre Tür öffnete, machte sie die Augen fest zu.
»Dougless«, flüsterte er; aber sie blieb still. »Ich weiß, daß Sie nicht schlafen, also antworten sie doch.«
Sie öffnete die Augen. »Soll ich meinen Notizblock und meinen Schreiber holen? Ich fürchte, mit Stenografie kann ich Ihnen nicht dienen.«
Er seufzte und rückte einen Schritt auf sie zu. »Ich habe sie heute abend gespürt. Zorn? Dougless, ich möchte nicht, daß wir Feinde sind.«
»Wir sind keine Feinde«, sagte sie schroff. »Wir sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ihr seid ein Graf, ich eine Frau von gewöhnlichem Stande.«
»Dougless«, erwiderte er im bittenden und nur zu verführerischen Ton. »Sie sind nicht gewöhnlich. Ich meinte . . .«
»Ja?«
Er wich bis zur Tür zurück. »Ich meinte, was ich sagte. Morgen müssen wir weiter auf Entdeckungsfahrt gehen. Gute Nacht, Miss Montgomery.«
»Aye, aye, aye, Captain«, sagte sie spöttisch.
Am nächsten Morgen weigerte Dougless sich, mit Nicholas zu frühstücken. Es ist besser, sagte sie sich, auch nicht eine Sekunde Schwäche zu zeigen. Denke daran, daß er für dich jetzt genauso ein Schuft ist, wie er es damals war. Sie ging allein in die Bibliothek, und als sie dort aus dem Fenster blickte, sah sie Nicholas mit einer hübschen Frau, und sie hörte, wie sie beide lachten. Dougless steckte die Nase tief in ihr Buch.
Nicholas lächelte noch immer, als er ihr gegenüber am Tisch Platz nahm. »Eine neue Freundin?« sagte sie und bereute sofort ihre Frage.
»Sie ist Amerikanerin und hat mir etwas über Baseball erzählt. Und Football.«
»Haben Sie ihr etwas erzählt, daß Sie noch in der letzten Woche im elizabethanischen England lebten?« fragte sie entsetzt.
Nicholas lächelte. »Sie hält mich für einen Gelehrten. Ich hatte also gar keine Gelegenheit, über solche Trivialitäten
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