Mehr als nur Traeume
faßte sie unter das Kinn. »Das bezweifle ich. Ist das ein Essen, was ich rieche? Ich habe Hunger.«
Dougless lächelte. »Ich habe Ihnen einen amerikanischen Lunch versprochen. Kommen Sie - wir wollen Mrs. Anderson besuchen.«
Arm in Arm gingen sie hinunter in die Küche. Die Jäger hatten ihren Lunch in Körben mitgenommen, und deshalb wurde die Küche jetzt nicht benützt, außer für einen Pudding, der auf dem hinteren Brenner des Gasherdes dampfte.
Nachdem Dougless sich die Erlaubnis von Mrs. Anderson eingeholt hatte, setzte sie Kartoffeln auf und Eier und wollte dann den Kuchenteig anrühren. Aber sie entschied sich nun doch lieber für einen flachen Nußkuchen mit Schokoladenguß. Nicholas setzte sich an den Küchentisch und experimentierte mit Aluminium- und Plastikfolien, öffnete und schloß allerlei Plastikdosen. Er schälte gekochte Eier, pellte Kartoffeln und hackte Zwiebeln.
»Haben Sie Lettice immer beim Kochen geholfen?« fragte sie.
Nicholas lachte laut.
Als das Essen fertig war, machte Dougless die Küche sauber - Nicholas verweigerte ihr dabei allerdings die Mithilfe -und packte alles in einen großen Korb, zusammen mit einer Thermosflasche voll Limonade. Nicholas trug für sie den Korb hinaus in einen kleinen mauerumfriedeten Garten, wo sie sich unter eine Ulme setzten und aßen.
Sie erzählte ihm, daß sie am Vormittag das Tagebuch gelesen hatte, und als er sein fünftes Stück gebratenes Hähnchen verspeiste, fragte sie ihn nach Lettice. »Sie erwähnen sie nie. Sie reden von Ihrer Mutter und Ihrem Bruder, der ums Leben kam. Sie haben mir von Ihrem Lieblingspferd erzählt; aber Sie sprechen nie von Ihrer Frau.«
»Ihr verlangt, daß ich von ihr rede?« sagte er in einem Ton, der fast wie eine Warnung klang.
»Ist sie so schön wie Arabella?«
Nicholas dachte an Lettice. Sie schien weiter von ihm entfernt zu sein als bloß vierhundert Jahre. Arabella war dumm - ein Mann konnte mit ihr nicht eine Sekunde Konversation machen -, aber sie besaß Leidenschaft. Lettice hatte keine Leidenschaft, aber einen Verstand - genug Verstand, um sich stets darüber schlüssig zu werden, was am besten für sie war. »Nein, sie ist nicht so wie Arabella.«
»Ist sie wie ich?« fragte Dougless.
Nicholas blickte sie an und dachte an Lettice, die eine Mahlzeit kochen sollte.
»Sie ist nicht so, wie Ihr seid. Was ist das?«
»Kartoffelsalat«, erwiderte sie geistesabwesend und begann, Nicholas weitere Fragen zu stellen, aber er unterbrach sie.
»Der Mann, der Euch in der Fremde stehenließ - Ihr sagtet, Ihr liebtet ihn. Weshalb?«
Dougless fühlte sich sofort in die Defensive gedrängt und wollte ihm sagen, daß Robert ein großartiges Material für einen Ehemann abgäbe. Statt dessen sackten ihre Schultern nach unten. »Mein Ego«, sagte sie. »Mein eigenes übertriebenes Bewußtsein von Macht. Robert erzählte mir, daß niemand ihm in seinem Leben sonderlich viel Liebe entgegengebracht habe. Er sagte, seine Mutter wäre kalt zu ihm gewesen und seine erste Frau auch. Ich dachte, ich könnte ihm all die Liebe geben, die er jemals brauchte. Also gab ich und gab ich. Ich versuchte alles zu tun, was er von mir verlangte, aber...«
Sie blickte zum Himmel hinauf. »Ich schätze, ich dachte, daß er eines Tages so sein würde wie diese Männer in den Filmen. Daß er zu mir käme und sagte: >Du bist die beste Frau der Welt. Du gibst mir alles, was ich brauche und worum ich dich bitte.< Aber das tat er nicht. Robert sagte nur dauernd: >Sie gibt mir nie was.< Und deshalb habe ich, dumm wie ich bin, mich immer mehr angestrengt, ihm immer mehr zu geben. Aber...«
»Ja?« fragte Nicholas leise.
Dougless versuchte zu lächeln. »Er schenkte seiner Tochter ein Diamantarmband und mir die Hälfte der Rechnung.«
Sie blickte von ihm weg, doch daran bemerkte sie, daß er ihr einen Ring hinhielt. Er hatte aufgehört, seine großen Ringe anzustecken, weil seinem stets regen Verstand nicht entgangen war, daß kein anderer Mann solche Ringe trug. Dieser Ring war mit einem Smaragd von der Größe eines Kieselsteins geschmückt.
»Was soll das?«
»Hätte ich Zutritt zu dem, was mein ist, würde ich Euch mit Juwelen überschütten.«
Sie lächelte ihn an. »Sie haben mir bereits diese Brosche geschenkt.« Sie drückte die Hand an ihr Herz. Sie trug die Brosche auf der Innenseite ihres Büstenhalters, hatte Angst, sie außen anzustecken, weil deren Alter und Einmaligkeit vielleicht neugierige Fragen herausfordern
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