Mehr als nur Traeume
regte. »Ich verstehe Sie nicht. Sie küssen jede Frau, die Ihr Gesicht erreichen kann; Sie schieben nie eine von diesen Frauen weg, aber mich behandeln Sie so, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Was ist los? Habe ich einen schlimmen Mundgeruch? Bin ich zu klein für Sie? Haben meine Haare nicht die richtige Farbe?«
Nicholas blickte sie an, und all sein Verlangen nach ihr, all seine Sehnsucht nach ihr flammten aus seinen Augen.
Dougless wich vor ihm zurück, wie ein Mensch von einem Freudenfeuer zurückweichen mochte, das ihm zu heiß wurde. Sie legte die Hand an den Hals, und einen langen Moment sahen sie sich nur gegenseitig an.
Die Tür flog auf, und Arabella stürmte ins Zimmer. Sie trug etwas, das offensichtlich ein maßgeschneidertes englisches Ausgehkostüm darstellte. »Nicholas, wo bleibst du denn?« Sie blickte zwischen Nicholas und Dougless hin und her, und es schien ihr gar nicht zu gefallen, was sie da sah.
Dougless wandte sich ab, denn sie konnte es nicht länger ertragen, Nicholas in die Augen zu blicken.
>Nicholas«, drängte Arabella, »wir warten schon auf dich. Die Flinten sind geladen.«
»Flinten?« fragte Dougless, sich umdrehend und ihre Fassung wiederfindend.
Arabella blickte Dougless von Kopf bis Fuß an und hielt sie offenbar für geistig minderbemittelt. Große Frauen scheinen oft so etwas kleinen Frauen gegenüber zu empfinden, dachte Dougless bei sich, und war schrecklich froh, daß Männer da anders empfanden.
»Wir jagen Enten«, sagte Nicholas und blickte Dougless dabei nicht an. »Dickie will mir eine Schrotflinte vorführen.«
»Großartig«, sagte Dougless, »gehen Sie und schießen Sie hübsche kleine Enten. Ich komme schon allein zurecht.« Sie eilte an Arabella vorbei und hinaus auf den Korridor. Oben in ihrem Zimmer blickte sie durch das Fenster auf den Hof hinunter, wo Dougless in einen Range Rover einstieg und Arabella mit ihm davonfuhr.
Sich vom Fenster abwendend fiel ihr ein, daß sie nichts zu tun hatte. Sie glaubte nicht, die Freiheit zu besitzen, Arabellas Haus zu erkunden, und sie wollte sich nicht in Arabellas Gärten ergehen. Sie fragte einen Diener, der an ihrem Zimmer vorbeikam, wo Lee wäre, und erfuhr, daß er sich mit den Briefen in seinem Zimmer eingesperrt habe und nicht gestört werden durfte.
»Aber er hat ein Buch für Sie in der Bibliothek hinterlassen«, sagte der Diener.
Dougless ging in die Bibliothek zurück, und auf dem Schreibtisch lag ein kleiner Lederband mit einem Zettel darauf. »Dachte mir, daß Ihnen das gefallen könnte. Lee«, las sie. Sie nahm das Buch hoch.
Schon beim ersten Blick auf den Buchdeckel wußte sie, was für eine Lektüre das war - das Tagebuch von John Wilfred, des häßlichen kleinen Schreibers, der über Nicholas und Arabella-auf-dem-Tisch geschrieben hatte. Im Vorwort stand, daß man das Tagebuch in einem Versteck hinter der Täfelung in einer Wand gefunden habe, als man eines von Nicholas ehemaligen Häusern in den fünfziger Jahren abgerissen hatte.
Dougless nahm das Buch und ließ sich auf der Polsterbank nieder, um es zu lesen. Schon nach den ersten zwanzig Seiten wußte sie, daß es das Tagebuch eines liebeskranken jungen Mannes war - und die Frau, die er liebte, war Nicholas’ Gattin, Lettice. John Wilfred zufolge konnte seine Herrin nichts falsch machen und sein Herr nichts richtig. Seitenlangen Listen von Nicholas’ Fehlern folgten seitenlange Aufzählungen von Letticens Vollkommenheiten. Wenn man den Ergüssen dieses sabbernden Schreiberlings Glauben schenken wollte, war Lettice ein Ausbund von Schönheit, Weisheit, Tugend, Herzensgüte, Geistesgaben ... und so weiter, und so fort, bis Dougless am liebsten gekotzt hätte.
An Nicholas ließ der Schreiber jedoch kein einziges gutes Haar. Er beteuerte, daß Nicholas seine Zeit nur damit verbracht habe, mit Mädchen ins Heu zu hüpfen, Gott zu lästern und allein, die in seinen Diensten standen, das Leben zur Hölle zu machen. Abgesehen von der hämischen Schilderung, wie sich Nicholas mit Arabella auf dem Tisch vergnügt hatte, machte er keine präzisen Angaben darüber, was Nicholas denn so Schlimmes angestellt hatte, um sich (wenn man, wie gesagt, Wilfried glauben wollte) jede zu seinem Haushalt gehörende Person zum Feinde zu machen.
Dougless las das Buch zu Ende und knallte es dann zu. Auf Grund einer zu Unrecht gegen ihn erhobenen Beschuldigung waren Nicholas’ Güter zerstört worden und mit ihm die wahre Geschichte seines Lebens, wie er
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