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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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einmal nahm ich mir Kesslers Kalender vor. Bestimmte Eintragungen fielen auf, die sich seit Mai mit wöchentlicher Regelmäßigkeit wiederholten. ›Besprechung mit OB!‹ Das letzte Treffen hatte demnach gestern abend stattgefunden.
    »Wann machen Meldeämter auf?«
    »Keine Ahnung. Kenne ich mich nicht aus. Vielleicht zwischen acht und neun?«
    Um acht ging ich zur Telefonzelle. Die Auskunft sagte mir die Nummer vom Doddelbacher Einwohnermeldeamt, und ich wählte durch.
    »Meldestelle Doddelbach, guten Morgen.«
    »Möller, Staatsanwaltschaft Frankfurt. Es handelt sich um Ermittlungen im Fall Böllig. Ich muß prüfen, ob ein gewisser Herbert Kollek in Doddelbach gemeldet ist.«
    Er druckste herum. Nachdem ich ihm dann versicherte, die schriftliche Anfrage nachzureichen, sah er schließlich nach.
    »Herr Möller? Tut mir leid, da kommen Sie zu spät. Herbert Kollek ist neunzehnhundertneunundsechzig von Doddelbach weggezogen.«
    »Wohin?«
    »Nach Frankfurt.«
    »Aha. Und noch etwas. Im gleichen Jahr, also neunundsechzig, wurde der Sohn von Friedrich und Barbara Böllig geboren. Der Vorname ist mir leider entfallen. Er soll seit seiner Geburt in einem Heim leben. Könnten Sie den Namen des Heimes herausfinden?«
    Er brauchte zehn Minuten. Ein Fernfahrer wartete vor der Zelle. Ein Blick gab mir zu verstehen, wieviel Spaß ihm das machte.
    »Der Junge heißt Oliver, ist am siebzehnten November geboren und lebt seitdem in Behandlung bei Doktor Gerhart Kliensmann, Privatklinik Ruhenbrunn.«
    »Danke.«
    Ich hängte ein. Slibulsky saß am Tisch und blätterte mürrisch in Illustrierten. Ohne aufzusehen blaffte er: »Okay, du bist der Boß, und hast den Durchblick, trotzdem möchte ich wissen, was du mit Meldeämtern zu bequatschen hast.«
    Ich erzählte es ihm. Dann zahlten wir und gingen.

Dritter Tag

1
    Ich zeigte auf Nina Scheigels Haus.
    »Nummer sieben. Ich nehme an, er schläft. Ist schließlich Nachtwächter. Hol ihn irgendwie aus dem Bett. Wenn seine Frau da ist, sperr sie ein oder fessel sie. Spiel den wilden Mann, hau was kaputt, nur nicht so laut, wegen der Nachbarn. Mach ihm eine Höllenangst. Sag, du wüßtest alles und wolltest kassieren, andernfalls käme die Polizei. Sobald er Kohle rausrücken will, drückst du die Wahrheit raus.«
    Slibulsky kniff die Augen zusammen: »Welche Wahrheit?«
    »Irgendwas weiß er und konnte oder wollte darüber nicht reden. Ob es die ganze Wahrheit ist, keine Ahnung. Vielleicht ein Teil.«
    »Und wenn nicht?«
    »Haben wir Pech gehabt. Und wenn’s dann irgendwie geht, ruf danach bei Anastas an. Versuche, anonym herauszubekommen, ob der Verein ›Freiheit und Natur‹ noch einmal von sich hat hören lassen. Wird schon gutgehen.«
    Er nickte.
    »Klar, hab ich doch Übung, anonyme Anrufe und Nachtwächter verprügeln.«
    Ich streckte ihm die Beretta hin. Er verzog das Gesicht.
    »Danke. Einbruch und Körperverletzung mit ‘nem guten Anwalt, okay, aber der Mord an diesem Schmidi, der kommt nicht auf meine Rechnung. Dazu alles für siebenhundert Mäuse!«
    »Dann laß es bleiben!«
    Er schüttelte den Kopf und tippte sich an die Stirn: »Bis dann.«
    Ich lief in Richtung Hauptstraße. Eine halbe Stunde später stand ich vor dem schmiedeeisernen Tor der Privatklinik Ruhenbrunn. Es hatte aufgehört zu regnen, und Morgenfriede lag über dem großen Backsteinbau. Ein paar Vögel flöteten in den Bäumen, die das Haus umstanden. Aus einzelnen Fenstern hing weißes Bettzeug. Eine Schwester schob einen Mann im Rollstuhl über die Wiese. Ich klingelte. Die Sprechanlage fragte nach meinen Wünschen.
    »Eine Familienangelegenheit. Mein Onkel, also, der Onkel meiner Frau, verstehen Sie…«
    »Bitte?!«
    Ich stockte. Die Stimme keifte: »Bitte drücken Sie sich deutlich aus!«
    »Der Mensch ist total verwirrt und muß unter Aufsicht.«
    »Sagen Sie das doch gleich. Wegen Aufnahme wenden Sie sich bitte an Frau Hengstenberger, erster Stock, Büro Nummer drei.«
    Das Tor sprang auf, der Sand knirschte unter meinen Sohlen. Der Weg war frisch geharkt, und ich war der erste, der die feinen Linien zertrat. Links zog sich die Wiese hin, bis sie an eine Mauer stieß. Dahinter lang die Villa Böllig. Ein Gärtner schnitt Rosen. Vollkommene Ruhe. Man hätte meinen können, die Klinik sei bis auf weiteres geschlossen. Kurz huschte ein Kopf hinter einem Fenster vorbei, dann ein zweiter, ein dritter, bis ich begriff, es war immer dieselbe Person, die da ihre Runden drehte. Am Portal kam mir ein

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