Mehr Bier
Faust unters Kinn. Während er durch den Raum tappte, schnappte ich mir den Rest Zwangsjacke, gab ihm präzise einen Tritt von hinten, so daß er mit dem Bauch auf den Boden klatschte. Dann verpackte ich ihn anstaltsgemäß. Schließlich lehnte Kliensmann an der Wand, und ich tätschelte ihm die Wangen. Widerwillig öffnete er die Augen.
»Guten Morgen. Was wollten Sie mir spritzen, Doktor? Rein privates Interesse, wollte auch mal in Medizin machen.«
»Pah!«
»Tja, so schnell ist eine halbe Million futsch. Aber gut zu wissen, was man wert ist.«
Kliensmann hustete und spuckte mir vor die Füße.
»Der kleine Böllig… die Anklage müßte auf klinischen Mord lauten. Was meinen Sie?« Er drehte den Kopf weg.
»Hat er in den letzten siebzehn Jahren jemals etwas anderes gesehen als vier Wände und vergitterte Fenster?«
Kliensmann schwieg.
»Weshalb, meinen Sie? Weil er den falschen Vater hatte, oder die falsche Mutter? Interessante Frage. Oder, weil so Typen wie Sie für Geld alles machen?«
»Pah!«
»Sie haben Barbara Böllig angerufen, als Sie hörten, jemand fragt nach dem Sohn?«
Er schwieg. Ich stand auf und durchsuchte den weißen Medikamentenschrank. Mit einer Dose Schlaftabletten und einem Glas Wasser hockte ich mich vor ihn hin.
»So, jetzt geht der Doktor in die Heia.«
Er wollte nicht. Ich scheuerte ihm ein paar, bis er den Mund offen hielt, trichterte ihm eine anständige Dosis Tabletten ein, kippte Wasser hinterher und drückte die Kiefer zusammen.
»Schon vorbei. Gute Nacht.«
Ich ging hinaus, schloß die Tür ab und steckte den Schlüssel ein. In Kliensmanns Schreibtisch lag die Beretta. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die nackten Birken. Das Blut klopfte in meinen Armen. Jetzt waren beide unbrauchbar. Ich dachte an Bier und wünschte, der fünfte Mann wäre schon hinter Gittern. Dann fiel mir Slibulsky ein.
2
Das ROMA war eine dieser italogermanischen Frascati- Schenken, die einem klar machen, was Kulturaustausch alles bedeuten kann. In Eichenausstattung mit weiß-rot karierten Deckchen und Riffelfenstern fand der Papst in goldenem Rahmen genauso seine Ecke wie der Aushang des ansässigen Kegelclubs. Juventus teilte sich die Wand mit den Kickern des 1. FC Doddelbach, und die eingelegten Auberginen in der Glasvitrine mußten Frankfurter Würstchen neben sich dulden. Die Flagge beider Länder zog eine Schnur quer durch den Raum. Der Laden war leer. Kein Kellner und keine Kundschaft. Ich fand Slibulsky in einer Ecke zwischen Bello Adriano und einem Hirschgeweih. Mürrisch studierte er die Speisekarte.
»Muß ja mordsmäßig gewesen sein. Seit drei Stunden sitz ich hier.«
Ich berichtete kurz, was passiert war. Er besah meinen Arm und brummte: »Iß was, mein Junge, damit du wieder zu Kräften kommst.«
Ich suchte mir auf der Speisekarte einen Teller Hammel aus. Der Kellner kam nicht.
»Dünn gesät, das Personal hier, was?«
»Von Zeit zu Zeit kommt schon einer vorbei.« Irgendwann kam dann ein kleiner freundlicher Italiener, und ich bestellte. Dann rauchte ich und wartete, daß Slibulsky von seinem Ausflug erzählen würde. Als nichts kam, half ich nach.
»Was hat der Nachtwächter gesagt?«
Slibulsky schob seinen Zahnstocher in den Mundwinkel.
»Gar nichts hat der gesagt. Der war nämlich gar nicht da.«
Der Kellner brachte zwei Kaffee.
»Er ist heute morgen mit Koffern aus dem Haus. Das hab ich vom Bäcker gegenüber. Dann ist er zum Flughafen. Das hab ich vom Taxifahrer.«
»Mit dem Taxi?« Slibulsky nickte.
»Hat er mit ‘nem Fünfhunderter bezahlt.«
»Und seine Frau?«
»Ist kurz danach weg, zum Bahnhof und mit dem ersten Zug nach Frankfurt.«
»Wodka kaufen. Ist das alles?« Slibulsky sah aus dem Fenster.
»Deinen Anwalt hab ich gesprochen. Die Truppe ›Freiheit und Natur‹ hat nichts von sich hören lassen.« Und nach einer Pause: »Weshalb auch, du wirst wegen Mord an dem Moppel gesucht.«
»Schmidi?«
»Jawohl. Und Raub. Von deinem Partner gibt’s schon ‘ne Phantomzeichnung. Soll mir ähnlich sehen. Häng ich mir dann an die Wand zwischen Playmate und Gitterstab. Falls die Gefängnisleitung Reiszwecken genehmigt.«
Der Hammel kam.
»Ich könnte dich bei den Bullen verpfeifen. Dann hab ich ‘ne Chance.«
»Mach’s.«
»Hat keinen Stil.«
Der Kellner stand hinter der Theke und drehte am Radio. Zwei Uhr. Nachrichten. Dann ein Fahndungshinweis der Polizei. Ein Türke, der Deutsch ohne Akzent spricht, sei in Begleitung eines kleinen Mannes
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