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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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stand ich auf, suchte meine Sachen zusammen und zog mich an. Ich ging zum Fenster, die Straßen waren noch leer. Dann fiel mir die Sache mit den Schlüsseln und der Brieftasche wieder ein. Ich verfluchte den Alkohol und Slibulsky und die ganze Welt. Wenn der Ordner weg war… ich war ein Idiot. In der Ecke stand eine Kanne voll Wasser für meinen armen Kopf. Fanny seufzte. Mit ihrem Lippenstift malte ich ein DANKE FÜR ALLES auf den Spiegel und entschuldigte mich für den stillen Abgang. Ich schlich die Treppe hinunter durch die Plastikschwingtür auf die Straße. Die weichen Knie wankten in Richtung Opel. Eine verlumpte Gestalt am Rinnstein sang ›Ohne dich schlaf ich heut nacht nicht ein‹ und schmiß dazu leere Bierflaschen auf die Straße.
    »Fresse halten«, brüllte einer aus dem Haus gegenüber.
    Der Alte zog sich an der Parkuhr hoch, ballte die Faust und schrie: »Komm runter… wenne was inne Fresse willst, Sch-scheißkerl!«
    Dann plumpste er zurück und schluchzte.
    »Scheißland und scheiß Leute… un nichts zu saufen… alles Schschscheiße!« Er legte sich zur Seite und fing an zu schnarchen.
    Der Opel stand noch da. Unterm Scheibenwischer klemmte ein Zettel, ›ist offen!‹ Ich zog die Tür auf und langte unter den Sitz. Der Aktenordner war weg.
    Wie betäubt lehnte ich ans Auto und starrte in die Gegend. Der Regen hatte aufgehört. Dann sah ich Licht beim Chinesen und fand das doch merkwürdig. Ich lief hin und drückte die Klinke: es war offen. Gleich am ersten Tisch saß Slibulsky über einem Haufen Papiere. Neben ihm dampfte eine Tasse Tee. Er brummte: »Kaffee ist auch hinter der Theke. Muß noch warm sein.«
    Ich schenkte mir ein und setzte mich zu ihm.
    »Ist phantastisch, was die Bullen alles über einen einzigen Fall zu schreiben wissen. Die Akte ist ‘ne Goldgrube. Nur, was du suchst, steht nicht drin.« Er zeigte auf die Bank. »Da sind Brieftasche und Schlüssel. In deinem Zustand hätteste noch das ganze Bumshaus zu Champagner eingeladen. Hundert Mark habe ich Fanny gegeben. Eigentlich ist der Satz für die Nacht höher; keine Ahnung warum, sie hat dich auch für hundert mitgenommen.« Er grinste. »Vielleicht hatte sie Mitleid.«
    »Es ist gut!«
    Ich zwang mich zum Kaffee. Er schmeckte gräßlich.
    »Wer hat denn den gemacht?!«
    Slibulsky schnalzte mit der Zunge und zeigte stolz auf sich: »Original Wiener Rezept. Mit einer Prise Salz und einem Hauch echten Kakao.«
    »Aha.« Dann zündete ich mir eine Zigarette an und sah mit in die Protokolle. Zweiundzwanzigster April, der Tag des Anschlags. Kesslers Kalender fiel mir ein. Ich blätterte: Vierzehn Uhr, Zahnarzt; sechzehn Uhr, Konferenz bei G; Aktion bei Chem. B.
    Am sechsundzwanzigsten April, als die vier verhaftet wurden, stand: Null Uhr, Operation Herbert K. Hinten im Adressenverzeichnis war ein H. Kollek, Postfach 3278, Doddelbach, eingetragen. Ich nahm Slibulsky beim Arm.
    »Ich hab’s.«
    Er schaute mißtrauisch auf den Kalender, und nachdem er die Eintragungen studiert hatte, murmelte er: »Seit zwei Uhr sitz ich hier und… na, ja, ich bin auch kein Hausarzt«, und grinste wieder.
    Ich steckte den Kalender ein und stand auf.
    »Ich muß sofort nach Doddelbach.«
    »Ich komme mit.«
    »Warum?«
    »Ich kriege noch dreihundert Mark und bleib dir auf den Fersen, habe keine Lust, nachher zu hören, daß du sie mit Herbert Kollek in der Kneipe durchgebracht hast.«
    Wir nahmen den Aktenordner und gingen.
    »Fahr bis zum Ende der Straße, dann rechts, einmal um den Block herum, in zehn Minuten bin ich wieder unten. Wenn nicht, haust du ab.«
    »Glaubst du wirklich, die warten seit zwei Uhr auf dich?«
    »Weiß nicht. Sieht alles ruhig aus. Bis gleich.«
    Ich stieg aus und lief hundert Meter zurück zu meiner Wohnung. An der Tür war nichts zu hören. Ich schloß auf und trat in den Flur. Immer noch nichts. Spätestens jetzt hätten Kessler und seine Kerle zugeschlagen. Ich hängte meinen Mantel an die Garderobe und knipste Licht an. Igendwas roch schlecht. Ich ging ins Zimmer, machte auch hier Licht und sah, was schlecht roch.
    Schmidi, ungewaschen im gleichen T-Shirt wie gestern abend, lag gemütlich in der Sofaecke. Nur ein kleines schwarzes Loch in seiner Stirn störte die Idylle. Ich knipste das Licht sofort aus und suchte im Halbdunkel die Beretta. Sie lag unterm Sofa. Man hatte Schmidi mit meiner Kanone erschossen. Er hatte nichts dabei. In seinen Taschen war nur der Ausweis. Ich nahm ihn und die Beretta an mich, ließ

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