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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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vergessen. Der erste Schuß weckte mich. Dann knallte ich das ganze Magazin in die Tür. Meine Finger krallten sich in die Ritze, und wenig später fiel ich durch den Rahmen in die frische Luft. Ich schleppte mich ein paar Meter in den Flur und blieb sitzen. Gerade, als der Kopf halbwegs klar war, kamen Schritte die Treppe herunter. Kurz darauf stand der Kloß vor mir, in den Händen hielt er Handschellen. Er betrachtete mich verblüfft.
    »Erklär mir den Trick.«
    Ich zog die Beretta hinterm Rücken hervor und ließ ihm Zeit, sich an das Schießeisen zu gewöhnen.
    »Klasse Trick, was?«
    Er sah gekränkt zu Boden. Langsam, gegen die Wand gestützt, kam ich auf die Beine.
    »Bring mich zum kleinen Böllig!«
    »Oh«, dann ängstlich, »das wird dem Doktor gar nicht gefallen.«
    Der Kanonenlauf zeigte ihm die Richtung, und wir gingen los.
    Der kleine Böllig war so klein, daß er den Kopf einziehen mußte, wenn er in seiner Zelle aufrecht stehen wollte. Ich bedeutete ihm, sich wieder zu setzen. Mit stumpfem Blick fuhr er fort, Wäscheklammern zusammenzubauen. Der lange Rücken krümmte sich über den Tisch. Sprechen schien der junge Mann nicht gelernt zu haben, jedenfalls reagierte er auf keine Frage. Er war ein siebzehn Jahre altes Wrack, nur bleiche Haut und Knochen. Durch ein vergittertes Fenster fiel fahles Licht auf den Arbeitstisch. In der Ecke stand ein eisernes Bettgestell. Der Kloß lehnte unglücklich an der Wand.
    »Seit wann macht er den Scheiß?«
    »Weiß nicht. Aber…«, er kam auf mich zu und flüsterte, »was anderes kapiern die nich.«
    »Aber du, du kapierst was anderes.«
    Oliver Böllig hätte ein kräftiger Kerl werden können, doch siebzehn Jahre Privatklinik Ruhenbrunn hatten aus ihm einen Zweimeteridioten gemacht. Im übrigen sah er seinem Vater Friedrich Böllig so ähnlich wie ich einem schwedischen Tennisstar. Einen Augenblick lang betrachtete ich den dumpf vor sich hin arbeitenden letzten Sproß der Bölligs. Einen Augenblick zu lange. Dann explodierte irgendwas über meinem Kopf.
    »… eine Spritze, die das Gedächtnis lähmt. Ich zahle Ihnen, was Sie wollen, Kliensmann.«
    »Das wird teuer, Madame. Meine Existenz, mein Ansehen, Sie verstehen. Unter fünfhunderttausend, sehen Sie… auch mein Schweigen kostet… außerdem…«
    »Gut. Ich treibe die Summe auf.«
    »… und da wäre noch etwas, Sie erinnern sich. Bisher haben Sie abgelehnt. Nun, ich denke, heute… Sie werden annehmen, nicht wahr? Auch ich hätte mir andere Umstände gewünscht, aber…» »Was wollen Sie?!«
    »Ziehn Sie sich aus…«
    Meine Nase juckte. Mit Mühe rieb ich sie an der Schulter, da die Arme fest auf dem Rücken verschnürt waren. Die Zwangsjacke roch nach Chlor. Ich lag in einer Art Behandlungszimmer; und während ich mich hin und her wand, um die Fesseln zu lockern, fand drüben die Anzahlung auf mein Blackout statt. Kliensmann gab von Zeit zu Zeit ein paar Schweinereien von sich, daß man meinen konnte, er selber sei sein bester Patient. Ich kroch auf ein Bild hinter Glas zu. Langsam hob ich es mit dem Kopf an, so daß es krachend zwischen meinen Füßen landete. Ich horchte. Nebenan ließ man sich nicht stören. Ich begann, meine Jacke über die abgebrochenen Glasreste zu wetzen, die noch fest im Rahmen steckten. Bald war über dem Ellbogen ein kleines Loch. Das Glas hackte immer wieder hinein und zerschnitt nach und nach Jacke, Hemd und Haut. Ich biß die Zähne zusammen und raspelte weiter, bis sich ein Blutfleck über meine rechte Seite bis zur Hose ausbreitete. Etwas später drückte ich den Arm raus, er sah aus, als hätte man Laubsägearbeiten auf ihm veranstaltet. Ich ertastete auf dem Rücken die Ledergurte und zog sie auf. Mit einem Handtuch auf den Arm gepreßt, schlich ich mich zur Tür und lauschte.
    »… wir sollten uns regelmäßig sehen.« Kein Kommentar.
    »Also, fünfhunderttausend in bar, innerhalb der nächsten drei Wochen. Wenn nicht, gehe ich zur Polizei. Sie verstehen.«
    »Drei Wochen?! Ich muß Aktien loswerden!«
    »Sie werden das schon schaffen. Die Zahlungen laufen wie gewohnt weiter.«
    Barbara Böllig fluchte.
    »Na, na, dafür wird Ihnen der Schnüffler keine Probleme mehr machen.«
    Eine Tür schlug zu. Barbara Böllig war offensichtlich gegangen. Kliensmann telefonierte mit der Hengstenberger.
    »Ich möchte in der nächsten halben Stunde nicht gestört werden!«
    Ich baute mich hinter der Tür auf. Kliensmann trat ein, stockte, drehte sich um, und ich rammte ihm eine

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