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Mehr Bier

Mehr Bier

Titel: Mehr Bier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Rollstuhl samt Patient und Schwester entgegen. Der Patient kicherte mir was zu. Ich lief die blitzblanken Treppen hinauf durch die Glastür und prallte auf einen zwei Meter großen Fleischkloß. Ganz in Weiß, schien er so eine Art Pfleger zu sein.
    »Na, na«, sagte er leise. Seine Lippen spielten mit einem Streichholz, und seine Augen musterten mich gleichgültig.
    »Tschuldigung«, murmelte ich, und er lächelte.
    »Zu Frau Hengstenberger?«
    Er spuckte das Streichholz in einen Blumentopf und fragte: »Balla-balla?«
    Ich antwortete: »Nicht ich, mein Onkel«, und er lächelte wieder.
    Ich wiederholte: »Zu Frau Hengstenberger?« und er: »Balla-balla.«
    Ich nickte ihm freundlich zu und schob mich vorbei. Er gluckste vergnügt. Die Tür zu Büro Nummer drei war angelehnt. Jemand telefonierte.
    »…nein, tut mir leid, dem Patient ist kein Besuch gestattet… auch nicht seine Mutter… wie bitte?! Sie haben einen Brief von ihm erhalten? Das ist ausgeschlossen, der Patient darf keine Briefe… Unsinn. Er wird medizinisch bestens versorgt. Machen Sie sich keine Sorgen… na gut, ich werde sehen, was sich machen läßt. Auf Wiederhören.«
    Sie legte auf und wählte eine zweistellige Nummer.
    »Hengstenberger. Hören Sie, Kunze, nehmen Sie sich mal Zimmer vierunddreißig vor. Er hat einen Brief rausgeschmuggelt. In Ordnung?«
    Ich klopfte.
    »Herein.«
    Mit der Stimme konnte man Glas schneiden. Frau Hengstenberger saß über ihren Schreibtisch gebeugt und schrieb. In der Ecke stand ein alter Bücherschrank, daneben hing ein AOK-Kalender mit Blumenmotiv. Sonst war das Zimmer weiß und sauber, mit Blick auf die Einfahrt. Sie legte den Stift weg und steckte den Brief in einen Umschlag. Ohne aufzublicken fragte sie: »Sie wünschen?«
    »Ich möchte eine Besuchserlaubnis für Oliver Böllig, der hier seit siebzehn Jahren in Behandlung ist.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Kayankaya.«
    Ihr Gesicht entspannte sich.
    »Keine familiären Beziehungen? Dann darf ich Ihnen die Besuchserlaubnis nicht erteilen. Ich bedaure sehr. Auf Wiedersehen.«
    Sie warf mir einen triumphierenden Blick zu und konzentrierte sich wieder auf ihren Schreibtisch. Ich ging zum Fenster und steckte mir eine Zigarette an.
    »Rauchen ist hier verboten.«
    Mit einem Satz war ich bei ihr. »Hör mal, Engel«, sie schnappte nach Luft, »ich habe nicht viel Zeit. Ich brauch den Jungen, oder die Akte über seinen Krankheitsverlauf. Ich muß wissen, warum er seit siebzehn Jahren hier in diesem Käfig hockt. Es geht um Mord. Also, sehen Sie zu, daß ich die Akte kriege. Hier…«
    Ich warf meine Lizenz auf den Schreibtisch. Mit spitzen Fingern griff sie danach, überflog die Karte und legte sie zurück.
    »Da muß ich Herrn Doktor Kliensmann informieren. Wenn Sie bitte draußen warten würden…«
    Ich zog die Tür zu und ließ mich auf einen Stuhl fallen.
    Alles still. Ich zündete mir die nächste Zigarette an und schoß Rauchringe durch die Luft. Ab und zu drangen wie von weit her Schreie durch die weißen Flure. Gerade als ich beschloß, Frau Hengstenberger noch einmal Dampf zu machen, kam der Fleischkloß die Treppe hoch, im Mundwinkel ein neues Streichholz. Träge baute er sich vor mir auf, verschränkte die Arme. »Kommen Sie«, forderte er mich auf. Dann lächelte er, aber seine Augen blieben kalt. Er führte mich eine Treppe hinunter, dann noch eine. Im Kellergeschoß ging es durch einen Flur. Schließlich schob er mich in einen gelben fensterlosen Raum, schwarzes Eisengitter schützte die Neonröhre an der Decke. Wände und Boden waren mit dünnen Gummimatten ausgelegt. Der Kloß lehnte sich an die Tür, lächelte immer noch.
    »Balla-balla?«
    Ich ging zwinkernd auf ihn zu. »Du bist doch ein intelligenter Bursche. Bring mich jetzt zu deinem Chef. Dafür darfst du nachher in meinem Auto ein paar Runden drehen. Von mir aus auch Autobahn. Okay?«
    Er machte ein beleidigtes Gesicht, trat vor und schlug mir die Faust in den Magen. Ich ging zu Boden, und er sagte: »Der Doktor kommt gleich.« Die Tür fiel zu. Ich tastete nach der Beretta. Sie steckte geladen in meiner Hosentasche. Wieso hatte ich ihm das Eisen nicht gezeigt? Ich kroch zur Tür, und plötzlich stieg mir ein bitterer Geruch in die Nase. Irgendwas legte sich wie Blei auf mein Hirn. Meine Bewegungen wurden langsamer. Wie in Zeitlupe zog ich die Kanone raus und legte auf das Türschloß an. ›Schlafen‹, dachte ich, ›Schlafen und nie mehr aufwachen.‹ Fast hätte ich dabei die Beretta

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